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Brief vom 10. Dezember 1689

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


95.


[115]
Versaille den 10. December 1689.
Vor ein tag oder vierzehen habe ich zwar die gnade gehabt, 2 gnädige schreiben auff einmahl von E. L. zu entpfangen, aber ohnmöglich darauff antworten können, denn umb die rechte warheit zu bekenen, so bin ich seyder der zeit so unlustig undt gritlich geweßen, daß ich gar nicht habe schreiben mögen. Denn E. L. den rechten grundt undt warheit zu berichten, was mich quellet, so darff ich solches der post nicht vertrawen. Waß ich E. L. nur von meinem standt sagen kan, ist, daß Deffiat seine gewohnliche bößheit ahn mir verübt undt mir allen tort sucht ahnzuthun, so nur immer möglich ist. Wenn ich einmahls eine sichere gelegenheit finden kan, werde ich E. L. dieße historie völlig berichten. Wegen der fatigue, so wir zu Fontainebleau thaten, bin ich woll nicht zu beklagen, wolle lieber deren noch 3 mahl so viel haben, wenn ich nur sonsten in ruhen leben könte undt man mir den geist nicht quellete, wie man thut, ja ich wolte lieber einen sturm renen, alß, was ich nun im hirn habe, behalten. I. L. die Churfürstin[1] müßen doch ein schön spectacle gesehen haben ahn dem sturm von Bon[2]; es ist aber ein zeichen von Dero überauß guttem gemüht, daß sie diejenigen so sehr bedawert haben, so dortten geblieben sein. Alle die officirer hir, so die gnade gehabt haben, I. L. zu sehen, haben mein padgen über die maßen gelobt sowoll wegen ihrer schönheit, alß auch Dero höfflichkeit undt politesse. Der hoff ist nun gar groß hir, indem alle krieger widergekommen sein, undt merckt man nicht [116] mehr, daß ihrer so viel vor Mentz undt Bon geblieben sein… Daß mad. de Guisse ihr sohn aus Indien gekommen ist, umb sich zu Franckfort hencken zu laßen, erweist woll, daß der galgen, wie das sprichwort sagt, allerwegen sein recht behält[3], undt daß man sein verhencknuß nicht entgeht.
Das weib[4], wovon sie sprechen, wie E. L. sagen, die von einem pfurtz met verlöff met verlöff sol schwanger gegangen sein, divertirt mich nicht sehr, contrari, ich glaube nicht, daß ein bößerer teüffel in der welt kan gefunden werden, alß sie ist mitt aller ihrer devotion undt heücheley, befinde, daß sie das alte teütsche sprichwort woll wahr macht, nehmblich: wo der teüffel nicht hinkommen kan, da schickt er ein alt weib hin[5]. Alles unheil kompt von dießer zot; ich vor mein theil habe mich ihrer woll gar nicht zu rühmen undt sie hatt keine größere freüde, alß wenn sie entweder mad. la dauphine oder mich etwaß übels bey dem großen mann[6] ahnmachen kan. Ja, wenn E. L. alles wißen solten, wie es hergeht, würden sie solches vor unglaublich halten. Biß ich E. L. aber völlig davon informiren kan, ist es, wie ich glaube, beßer, daß ich von dießem text stillschweige, nur das noch sage, daß es woll zu wünschen were, daß sich das weib umb nichts alß ihre jungfern in dem stifft[7] bekümmerte. Wenn die jungen printzen, so noch zu wacksen haben, nicht galanter werden alß unßer mons. le dauphin[8], so werden die demoiselles de St. Cire keine große mühe haben, ihre ehre zu verwahren. … Weillen E. L. finden, daß von der armen Pfaltz zu reden dießelbe melancholisch macht, will ich weiter nichts davon sagen, aber ich glaube, daß ein gutter frieden ihnen doch nicht schaden solte; der krieg ist doch eine verdrießliche sache. E. L. geben mir woll ein stich ins hertz, zu sagen, daß sie dem keyserlichen envoyé von meiner dochter gesprochen haben[9], undt daß der große mann müste schmirallien geben, umb das werck zu volführen. Ich gäbe woll eine handt drumb, daß es sein könte, allein es scheindt woll, daß der große mann leyder meiner kinder bestes gar nicht begehrt, undt ich sehe woll, daß man noch fest gedenckt auff waß ich alß befürcht undt wovon ich E. L. durch meinen Harling geschrieben hatte; das macht das alte weib[10]. Mehr darff ich nicht sagen, derwegen von waß änderst reden … Ich scheine woll destinirt, alles zu verliehren, was ich von meinen verwanten haben solte: alles landt hatt der König verbrent, alles bar gelt hatt Monsieur zu sich gezogen, ohne mir weder heller noch pfenning davon zu geben. Dießes aber würde ich mich leicht getrösten, wenn man mich nur sonsten mitt frieden ließe undt nicht plagte, wie man täglich thut … Das alte weib will mitt aller gewalt, daß der große mann seinen hinckenden buben[11] ahn mein tochter [117] geben solte, undt ohne mir die sach zu proponiren, persuadirt sie den großen mann, daß ich mein leben nicht drin willigen werde, man plage mich denn so sehr, daß ich meine ruhe dadurch erkauffen mögte, undt das macht, daß man mir alle tag neue qual ahnthut. E. L. werden vielleicht meinen, daß meine miltz mich extravagiren macht, indem dießes, was ich hir sage, wider alle aparentz ist, aber es ist leyder nur allzu wahr, undt wenn E. L. den detail davon wißen könten, würden sie woll sehen, daß ich gar nicht liege[12], sondern die pure warheit sage. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 10. Dezember 1689 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 115–117
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0095.html
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