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Brief vom 1. November 1691

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


122.


[139]
St. Clou den 1. November 1691.
… Da die böße zeittung vom armen raugraff Carl August[1] nur gar zu wahr ist, bin ich fro, daß ich ihn nie gesehen habe, denn sonsten würde es mich sehr geschmertzt haben … Wenn dießer Churfürst von Saxsen[2] so gutt vor meines brudern gemahlin[3] sein könte, alß sein herr vatter, deücht [140] mir, daß sonsten der verlust undt schaden nicht gar groß seye. Ich glaube, daß dießer Churfürst verstandt hatt; er redt nicht viel, man sicht aber woll, daß er alles remarquirt, undt scheindt auch gar sobre zu sein. Wenn es gehen solte, wie ein liedt, so man vor etlichen jahren hir gesungen, so würden gewiß der Churfürst von Saxsen undt der hertzog von Gotha[4] noch mitt einander in jener welt sauffen:
Ami, l’orois tu pûs croire,
On aime à boire, on aime à boire
Chez les morts.
Ami, l’orois tu pus croire,
On aime à boire sur les sombre[s] bords,
Lorsque Pluton de nous dispose
Nous ne faissons dans la paisible cour
Que boire nuit et jour, que boire nuit et jour,
Et ce fleuve d’oubli qu’on nous propose
N’est auttre auttre chose
Qu’un vin charmant tel qu’on le boit icy
Pour banir de nos coeur[s] l’amour et le soucy,
L’amour et le soucy.
Ich weiß nicht, worumb E. L. vor ein deffaut declariren, das beste gemühte von der welt zu haben. Wenn das fehler sein, was ist denn tugendt? Unßers gutten Königs Jacob seindt wir eben nicht müde, aber woll seines unglücks; der arme herr jammert mich sehr. Die gräffin Platen[5] muß sehr geendert sein, seyder ich sie nicht gesehen, denn zu meiner zeit ließ sie es ja bey dem negsten bewenden undt war natürlich. Der arme mons. de Webenheim[6] seeliger schrieb mir einmahl von ihr undt beschrieb sie mir eben wie E. L. jetzt thun. Solte ich es sehen, könte ich nicht schweygen undt wolte fragen, worumb sie so thete. Apropo von commedien: der beste commediant hir hatt abgedanckt; die devotten haben ihn bang gemacht, man würde alle commedianten weg jagen undt welcher der erste sein würde so quittire, solte versichert sein, daß man sorg vor ihn tragen würde. Mich verdriests recht, denn der kerl spilte über die maßen woll; er heist Baron[7]; hette ich nicht gefürcht, mich die devotten über den halß zu jagen, hette ich ihn persuadirt, zu bleiben, aber ich will lieber die comedie mißen alß das zeüg mir auff den buckel zu ziehen, da behütte mich der liebe Gott für; ich glaube, man käme eher mitt einer armée zurecht undt were in weniger gefahr in einer bataille. … [141]
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 1. November 1691 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 139–141
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0122.html
Änderungsstand:
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