Seitenbanner

Brief vom 12. April 1692

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


128.


[145]
Versaille den 12. Aprill 1692.
… Es freüet mich allemahl von hertzen, wenn ich einen gnädigen brieff von mein hertzlieb ma tante entpfange; ob ich zwar jetzt nicht mehr so lustig bin wie vor dießem, so lebe ich doch nicht einsamer, alß ich seyder 7 jahre her lebe, daß ich mich aber noch nicht recht wider erhollen kan, so geht es mir, wie im opera von Atis[1] gesungen wirdt: mais la raison ne revient pas si tost qu’on la rapelle. Es ist kein wunder, daß E. L. niepcen[2] hir nicht content leben: man kan nicht content sein, wenn man sich ohne ursach verachten sicht undt hundert canaillen über einem herrschen. Denen man gehorsam schuldig ist, unterwirfft man sich mitt freüden, aber von leütten zu dependiren, die nichts sein undt nur die einzig meritte haben, daß sie woll heüchlen können, das ist was hart zu verdawen. Die gutte verwitibte hertzogin von Hannover[3] meinte, sie were bey des Königs alte zot[4] in gnaden, besuchte sie offt, wie sie es aber beym licht besicht, ist sie nicht beßer dran, alß ich, die nie bey ihr geweßen. Were ich in ihrem platz, ich glaube, ich wollte eher meine erbschafft verliehren, alß lenger hir in Franckreich bleiben, undt ich kan nicht begreiffen, wie daß man nicht alles quittirt, umb bey E. L. undt oncle zu sein. Ob es mir zwar sehr leydt ist, daß der römische König[5] seine tante bekompt, so habe ich doch von hertzen lachen müßen, daß E. L. das sprichwort de la necessité necessitante so apropo citiren. Weillen [146] die Churfürstin von Bayern[6] schwanger ist, so wirdt der Churfürst von Cöln[7] seinen geistlichen standt woll nicht quittiren. Man muß hoffen, daß durch langes wartten wir endtlich den duc de Bourgogne[8] ertappen werden[9], welcher auch kein bößer bißen were. E. L. sein meiner tochter zu gnädig, ihr berenkatzenaffengesicht zu betrachten; ihre taille wirdt nicht uneben, gantz wie die von unßerer gutten Königin in Spanien s[eelig][10]; von hinten solte man meinen, sie seye es, tantzt auch gantz so, aber das gesicht ist nicht hübsch, doch waß beßer alß es war. E. L. haben woll recht, zu lachen, daß man so geradt weiß, wan die Churfürstin von Bayern schwanger geworden: 10 tag ist eine wunderliche undt unsichere rechnung. Sie muß jungfer Catrien[11] greülich regulirt haben. Daß der Churfürst seine metres[12] alß bey sich hatt, ist kein wunder, aber woll, daß er einen sot gefunden, so ihr mann sein wollen[13]. Wie man hier sagt, sollen I. L. schon zu Brussel sein[14], alwo man sich sehr über Dero ahnkunfft gefreüt hatt … Man redt jetzt hir von nichts alß von deß Königs reiße in Flandern; alle damens werden mitt außer ich; Monsieur mag lieber 2000 pistollen bey sich haben, alß mich, undt hiran haben I. L. groß recht, denn sie seindt I. L. viel nutzlicher, alß ich. Vor dießem würde es mich unerhört verdroßen haben, zu sehen, daß man so den unkosten ahn mir erspart undt mich allein lest, nun aber frage ich gar nichts mehr darnach undt ist mir all eins, ob ich hir oder in Flandern bin, undt die begierde, bey denen zu sein, so den hießigen hoff componiren, ist greülich bey mir verloschen. …
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 12. April 1692 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 145–146
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0128.html
Änderungsstand:
Tintenfass