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Brief vom 11. Mai 1692

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


131.


[147]
Paris den 11. May 1692.
Wenn ich nicht vergangenen Donnerstag nach Versaillen gemüst hette, von dar wider nach St. Clou, alwo meines sohns gemahlin[2] mich erwahrtet, [148] umb von mir abschidt zu nehmen, wie ich zu Versaille gethan, undt hernach abendts hirher nach Paris were, würde ich nicht unterlaßen haben, schon die vergangene post auff E. L. letztes gnädiges schreiben zu antworten. Ich bin nun gantz in der einsambkeit hir, denn alles ist gestern weg; ich ruffe die raison so viel mir möglich ist, umb mich in die zeit zu schicken, aber nach dem die miltz es erlaubt, macht man es beßer oder schlimmer. Mich deücht doch, daß ich nicht ursach haben soll, mich sehr zu bekümmern, daß man mich nicht mitt hatt nehmen wollen[3], weillen doch keine andere ursachen hiran sein alß nur zwey: nehmblich daß Monsieur gerne sein gelt spart, undt daß die alte zot[4] bey dem König mich hast, weillen ich nicht hipocrisiren noch heüchlen kan, undt derowegen verwehrt hatt, daß mir der König nicht gibt waß zur reiße von nohten war, undt der eintzige pretext so man nehmen kan, worumb ich nicht in gnaden bin, ist, daß ich ungern gesehen, daß man meinen sohn überteüffelt hatt, umb einen infamen heüraht zu thun. Deß schäme ich mich auch nicht, gestehe vielmehr, daß, wenn es in meinem vermögen geweßen were, solches zu verhütten, hette ich es gar gewiß gethan, deücht mir also, daß mir diese ungenade mehr woll alß übel ahnsteht. …
Ich kan nicht leügnen, daß ich große estime vor König Wilhelm habe undt ich kan nicht laßen, offt seine parthey hir zu nehmen, welch es man mir, wie ich glaube, eben kein großen danck weiß, allein ich kan mich von meiner franchise nicht corigiren undt muß immer die warheit sagen undt wie ich es dencke. Es hatt mich recht erfreüet, daß E. L. mich versichern, daß dießer König ein wenig gutte opinion von mir hatt; bey ihm ist keine alte zot, so mich einhauren kan. Unßer gutter König Jacop jammert mich von hertzen; ich wolte, daß es sich so schicken könte, daß alle zufrieden weren undt daß man einen gutten frieden machte, aber hiran ist noch wenig aparentz. Wenn printz von Oranien[5] in Flandern bleibt undt unßer König in Engellandt[6] mitt der flott nach London wirdt, werden sie einander woll nicht begegnen undt unßer König allein den krieg in Flandern führen. Wie man sagt, so sollen alle damens au Quenay[7] bleiben undt den König nicht in der armée folgen. Bißher streit der himmel oder, umb noch beßer zu sagen, die winde vor den printzen von Oranien, denn König Jacopus hatt sich noch nicht embarquiren können. Baldt werden wir horen, waß auß dießem allen werden wirdt. Ich bin, wie man sagt, gut vor den schuß, nehmblich weit davon. Mein sohn wirdt ein wenig näher dabey sein, welches mich mitt der zeit bang genung wirdt machen. Ich bin versichert, daß printz Christian[8] mitt ungedult die zeit erwart, umb nach Ungern zu gehen, denn junge leütte meinen, alß es seye nichts schöners, alß sich den halß zu brechen. Des großen [149] manns alte zot ist einer andern meinung, denn man sagt, daß es ihr so leydt seye, zu reisen, weillen sie fürcht, daß solches ahn ihre gesundtheit schaden mögte, daß sie mitt großem unmuht deßwegen verreist seye, worüber ich mich gar nicht betrübet habe, wie E. L. leicht gedencken können. Das lutherische liedt, so E. L. cittiren, kompt woll recht auff diß alte weib undt ihre cohorte zu paß. E. L. erfreüen mich recht, mir hoffnung zu geben, daß des römischen Königs[9] beylager mitt seiner tante noch nicht richtig ist, denn ich hette gern, daß er meiner dochter mögt beschehrt werden; der duc de Bourgogne were woll ein beßer sache, allein man muß noch greülich lang wartten undt die sach ist gar unsicher. …
Ich habe E. L. schon in meinem letzten brieff gesagt, waß groß unterschidt ich finde zwischen E. L. hoff undt mr. le prince sein hauß (denn hoff kan man es nicht nennen), drumb widerhohle ich es nicht. Wie E. L. mir nun die teütsche höff beschreiben, würde ich eine große verenderung drin finden; allein von der teütschen auffrichtigkeit halte ich mehr alß von der magnificence undt ist mir recht leydt zu vernehmen, daß solche sich verliehret im vatterlandt. Es ist leicht zu erachten, wovon der luxe die treühertzigkeit verjagt; man kan nicht magnifiq sein ohne gelt, undt wenn man so sehr nach gelt fragt, wirdt man interessirt, undt wenn man einmahl interessirt wirdt, sucht man alle mittel hervor, waß zu bekommen, wodurch dan die falschheit, lügen undt betriegen einreist, welches dan treu, glauben undt auffrichtigkeit gantz verjagt. Ich kan mir nicht einbilden, daß es bey dem beylager[10] zu Torgo[11] lustig hergehen wirdt, weillen der breütigam waß anderst alß seine braut im kopff hatt. Ich glaube aber doch, daß I. L. die Churfürstin[12], mein patgen, die nach dießes alles nichts fragt, sich dortten divertiren wirdt …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 11. Mai 1692 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 147–149
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0131.html
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