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Brief vom 15. Mai 1692

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


132.


[149]
Paris den 15. May 1692.
… Ob Desfiat[1] undt sein gantzer ahnhang zwar sehr schlim sein, so würden sie mich doch nicht so sehr übels gethan haben, wenn des Königs alte zott nicht auff ihre seit were undt die habe ich nie gewinnen können, waß mühe ich auch dazu genohmen. Man kan nicht beßer mitt meines sohns gemahlin[2] leben alß ich es thue, aber das hilfft nichts, undt so lange das alte weib, so inplacable ist, leben wirdt, werde ich woll nicht in ruhen sein können; ihr haß ist gegen mir unüberwindtlich, muß also nur gedult haben undt den lieben Gott walten laßen. Waß mein wibtum ahnbelangt, so haben E. L. es recht gerahten: es ist auff den alten schlag gemacht; allein Gott behütte mich, daß Monsieur sterben solte; aber ich glaube nicht, daß man [150] mir ein heller mehr gebe. Wenn unßer Churfürst mein herr vatter seelig meinte, daß er mich woll versorgt hette, war er woll betrogen. Ich habe aber woll gedacht, daß es hir so sein würde, drumb wolte ich nicht her, wie E. L. woll wißen; aber es ist eine lang geschehene sache, also ohnnöhtig, weyter davon zu reden. … Wie man mir gestern gesagt, so solle unßer König in Engellandt[3] sich erst vergangen Sontag embarquirt haben. Tourville[4] hatt ordre mitt des Königs eigener handt geschrieben, den feindt zu attaquiren wo er ihn auch finden möge; also wirdt man baldt die zeittung von einer seehschlagt bekommen. Umb zu versuchen, ob ich so glücklich sein mögte, E. L. ein wenig lachen zu machen, so schicke ich E. L. hirbey ein gar ahndechtiges gebettbuch, so ein capuciner inventirt, welches mir gar possirlich vorkompt. Die Churfürstin von Saxsen[5] erfährt das sprichwort, so sagt: la fortune suit les temeraires[6], denn es kam mir sehr gewagt vor, daß sie den Churfürsten[7] hatt nehmen wollen mitt der großen passion, so er vor das freüllen Neitischt[8] hatte, ich sehe aber nun woll, daß es geglückt hatt. Ich glaube woll, daß der Churfürst von Saxsen fein geworden ist, denn er schiene hir verstandt zu haben, sprach zwar wenig, aber apropo, undt remarquirte alles. Daß man bey nebenseyt geht, were entlich noch woll erträglich, wenn die fürsten nur sonst woll undt mitt consideration mitt ihren gemahlinen leben wolten; aber daß man sich veracht sicht von leütten, so nichts teügen undt denen die herrn alles gut heißen, das ist verdrießlich. Ich bilde mir ein, daß unßer elster printz[9] sich ein wenig bey der heyligen jungfer[10] in unßers herrn Christus platz gestelt undt ihr ihre andacht vertrieben; mein sohn hatt auch etlich promenade nocturne gethan, so er gar geheim meinte, die sache ist aber herauß kommen; seine gemahlin[11] fragt gar nichts darnach, ich glaube, es seye, weill sie sonst faveur genung hatt undt ihres manns consideration nicht von nöhten. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 15. Mai 1692 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 149–150
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0132.html
Änderungsstand:
Tintenfass