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Brief vom 7. August 1692

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


141.


[158]
St. Clou den 7. Augusti 1692.
… Eher ich auff E. L. gnädiges schreiben von Linsbourg[1] vom 21. Julli ahnfange zu antwortten, muß ich E. L. doch verzehlen, was ein großen schrecken ich vergangen Montag abendts außgestanden, welcher sich doch Gott sey danck entlich in freüden verwandelt hatt. Ich war schon außgezogen undt wolte mich eben zu bette legen umb 12, da hörte ich auff einmahl Monsieur in meiner vorkammer sprechen, undt weillen ich woll wuste, daß er schon in seiner cammer zu bette gelegen war, merckte ich gleich, daß waß vorgangen müste sein, sprung derowegen eyllendts auff undt lieff Monsieur entgegen, umb zu sehen, was es were. Er hilt einen offnen brieff in der handt undt sagte: ne vous effrayés pas, vostre fils est blessé, mais [159] ce n’est que legerement; il y a eue un furieux combat en Flandre[2] et l’infanterie du roy a defaitte celle du prince d’Orange; on ne sait que cela en gros à ce que le roy me mande et il n’y a aucun detail. Ich laße E. L. gedencken, in waß ängsten mich dieße zeittung setzte; ich blieb auff mein balcon undt wartete biß schir umb 3 morgendts, ob kein courier von meinem sohn kommen mögte. Alle halbe stunde kamen courier ahn, einer brachte den todt vom marquis de Bellefond[3], ein anderer, daß mr. de Turaine[4] auff den todt verwundt were, denn seine mutter war hir, sie undt seine schwiegermutter, mad. de Vantadour[5], die ihn so lieb hatte alß wenn er ihr leiblich kindt were, fingen ahn zu schreyen, undt wie sie just unter meiner cammer logiren, konte ich ihr geschrey hören; außer daß sie mich von hertzen jammerten, so dachte ich alß daß ich vielleicht baldt ebenso viel von meinem sohn erfahren würde, habe also in dießen sorgen dießelbe gantze nacht zugebracht undt nichts rechts von meinem sohn erfahren können, alß andern tags nach dem eßen, da ein edelman ahnkommen, so sein unterhoffmeister geweßen undt Labertiere[6] heist, der sagte unß, daß mein sohn 2 schuß bekommen, einer, so ihm die casaque über die schultern gantz zerhackt, ihn aber nicht gerührt, Gott sey danck, der zweyte schuß ist im lincken arm. Er hatt selber die kugel heraußgezogen, man hatt ihm den arm gantz auffgeschnitten undt verbunden; hernach ist er wider in den ort, wo die meslée war, undt nicht weg gangen biß alles auß war. Erstlich haben unßere leütte ployirt undt die Engellander undt Hollander seindt über hecken undt graben herüber kommen undt hatten schon 3 stück weg, da kam mons. de Luxembourg mitt dem regiment de guarde, printz de Conti, mr. le duc[7] undt mein sohn, die jagten die huzars wider zusammen, sprachen ihnen zu undt führten sie selber gegen den feindt, welches den soldaten ein solch hertz geben, daß sie alles durchgedrungen haben undt den feindt so weit zurück ins flach felt gejagt, daß die unßerigen nicht allein ihre stück wider bekommen, sondern auch 7 vom feindt. Aber es seindt auff beyden seyten erschrecklich viel leütte geblieben, undt viel von qualitet. Es hatt gewehret von 9 morgendts biß 8 abendts undt ist einer von den erschrecklichsten combats, so man jemahlen gesehen. … Wenn E. L. der rumpompel nicht eher den hintern met verlöff met verlöff küßen, biß sie mein tochter mitt mr. le dauphin heüraht, wirdt gewiß E. L. dießen üblen geruch nicht zu fürchten haben, denn sie ist weit von dießem desein; ich weiß nicht, wer dieße histori inventirt hatt, allein es ist leyder gar keine aparentz dazu undt weniger alß nie. Ich habe ihr, der rumpompel, mitt so vieler civilitet zugesprochen, alß sie zu mir kam, [160] alß es mir möglich war, undt allemahl wenn ich sie sehe, werde ich hofflich mitt ihr leben, aber weitter kan ich nichts thun, undt ihr in ihrer antichambre auffzuwarten, wie die andern hir thun, hirzu kan ich mich nicht resolviren undt werde es nie thun, der König oder Monsieur befehlen mir es denn expresse. Was meines sohns gemahlin[8] ahnbelangt, so kan sie sich nicht über mich beklagen, denn ich leb woll undt hofflich mitt ihr, lieb aber kan ich sie mein leben nicht haben, denn es ist das unahngenehmste mensch von der welt, gantz scheff von taille, heßlich von gesicht undt unahngenehm in allen ihrem thun, undt alebenwoll bildt sie sich ein, sie seye schön, butzt sich allezeit undt ist voller mouchen; undt wenn man denn das alles sicht, undt denckt, daß es nur ein maußdreck[9] ist, muß ich gestehen, daß es ein wenig zu hertzen geht undt daß man nicht ohne effect undt mühe sein bestes thut. E. L. ihr[10] ist nur halb so schlim, alß die unßere undt über das noch ahngenehm undt gutt von person, welches die unßere durchauß nicht ist, also woll kein wunder, daß ich mehr mühe habe, mich vor die unßerige zu zwingen, alß E. L. vor die ihrige. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 7. August 1692 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 158–160
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0141.html
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