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Brief vom 6. November 1692

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


151.


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Paris den 6. November 1692.
… Wenn E. L. sehen solten, wie alles hir ist, würden sie sich nicht verwundern, über was er (mons. de Balati) E. L. vom ertzbischoff[1] verzehlt hatt, denn was respect heist, ist hir nur in wortten, aber in der that findt man es nicht. Ich kan nicht glauben, daß er in der that sich eingebildt hatt, daß er mir gefahlen könte oder daß ich ihm gefahlen hette, allein ich habe nicht vertragen können, daß er sich ahnstelte, alß wenn er von andern leütten eyffersüchtig were, da doch keine jalousie auff keine weiß da erträglich were, weillen erstlich er sich nichts umb mich solte zu bekümmern haben, undt zum andern, weillen ich ja nicht mitt den andern leütten dermaßen gelebet, daß man waß dagegen zu sagen finden könte. Also hatt mich diß verdroßen undt habe also allgemach mich zurückgezogen undt nicht mehr mitt dießem ertzbischoff habe umbgehen wollen, auch nicht weitter examinirt, auß welchen motif er so sehr auff den andern menschen erbost ware, undt gedacht, umb ein ridicule zu esvitiren were es beßer, daß ich nicht viel mehr mitt ihm umbginge, undt hoffe, daß E. L. meine conduite hirinen nicht desaprobiren werden. E. L. hatten geschrieben, daß, umb Grandval[2] zu persuadiren, König Wilhelm zu assassiniren, hette mons. de Barbessieux[3] zu ihm gesagt, König Wilhelm hette seinen vatter vergifften laßen; darauß hatte ich begriffen, daß es Grandvals vatter ahnginge undt nicht mr. de Louvois, also meine thumigkeit[4] schuldt, daß ich es so übel außgelegt. Ich fürcht, es seye ein zeichen, daß ich ahnfange, ein wenig mein teütsch zu vergeßen; es were [168] woll kein wunder, denn ich rede es gar selten. Damitt ich aber wider auff mein mißverstandt komme, so bin ich woll persuadirt, daß König Wilhelm eben so unschuldig ahn Louvois todt ist, alß ich: solte es aber wahr sein, daß er ist vergeben worden, so ist er gewiß von jemandes hir geworden undt gar nicht von jemandes auß frembten ländern. König Wilhelm aber ist zu estimable, ein solch stück zu begehen, undt niemandt glaubt es. Mit König Jacop habe ich vergangen Dinstag den hirsch gejagt undt I. M. E. L. compliment gemacht, wie sie mir befohlen haben. Er hatt mir geantwort: Madame la duchesse de Hannover a tousjours eue l’amitié pour moy et me l’a tesmoigné, et je vous prie de l’assurer, que personne ne l’estime plus parfaitement n’y a aussi plus d’amitié pour elle que j’en ay; die threnen kamen ihm drüber in den augen; das jammerte mich von hertzen. Vergangen Sontag ist I. M. eine betrübtnuß zugestoßen: sein beichtsvatter ist auff einen stutz ahm schlag gestorben. Es ist gewiß, daß dießer gutter König contenter ist, alß man glauben könte, daß er in seinem standt billig sein könte. I. G. des Churfürsten s[eelig][5] exil war ein andere sache: I. G. war jung, alles gefiel I. G. undt er gefiel ahn alles, zudem so gab dieße jugendt noch viel hoffnung zu einer glücklichen verenderung, undt das erhelt, aber der gutte König Jacop, der nun über die 60 ist, hatt nicht lang mehr zu wartten, umb glückliche verenderungen zu sehen, undt ist mehr auch in dem alter, da er sich recht lustig machen könte, muß also woll eine rechte gabe Gottes sein, wenn er sich in seinem standt kan vergnüget finden. … Seyder wir von Fontainebleau widerkommen, haben wir die schönsten tage von der welt undt ein recht frühlingswetter; wenn es so zur Ghör[6] ist, werden E. L. noch braff zu fuß spatziren können undt etliche jagten sehen. Ich habe vergangen Dinstag wider ahngefangen zu jagen undt morgen werde ich wider nach Marly, umb den hirsch zu jagen; das jagen ist das eintzige, so mich bey gesundtheit erhelt, denn das verjagt alle böße humoren vom miltz… E. L. können sich nimmer einbilden, wie devot der hoff hir wirdt, so devot, daß es ein ellendt ist. Wie lange es auch schon wehrt, habe ich doch die kunst noch nicht gelernt, denn ich bin ein wenig zu auffrichtig dazu. Gott behütte jeden hoff vor dergleichen heucheley. Ob ich zwar sehr wünschte, daß mein tochter den duc de Bourgogne bekommen mögte, so habe ich doch wenig hoffnung dazu, insonderheit so lang die alte zot lebt. E. L. haben woll groß recht zu sagen, daß ich nicht affectirt bin undt nicht jage, umb schön zu werden. Das solte mir schön ahnstehen, daß ich mein alt berenkatzenaffengesicht im spiegel betrachten solte. Daß I. L., Dero sohns[7] gemahlin[8] sich gerne besicht, ist ein anderst, denn sie soll hübsch sein, wie ich [169] höre, aber sich lieb haben, sich gern im spiegel betrachten undt admiriren laßen: wo es die coquetterey selber nicht ist, ist es doch gewiß ihre schwester. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 6. November 1692 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 167–169
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0151.html
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