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Brief vom 22. November 1692

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


153.


[170]
Versaille den 22. November 1692.
… Man muß greülich curieus sein, umb zu wißen, was E. L. mir sagen, denn Dero gnädiges schreiben sicht man gar woll, daß es auffgebrochen worden undt sie habens übel undt grob wider zu gemacht. Sie werden aber woll nicht gar gelehrt geworden sein von waß sie drinnen gefunden haben. Ich mögte gerne wißen, was sie sich einbilden, daß E. L. mir undt ich ihnen schreiben könte, woran ihnen gelegen seye. Sie mögen mir den kopff woll nicht warm mitt ihrem auffbrechen machen, denn sie mögten mich in einem solchen humor finden, daß ich ihnen die warheit dichte in E. L. schreiben setzen mögte, welches ihnen die lust vertreiben mögte, die brieffe auffzumachen. Den respect, den ich dem König schuldig bin, werde ich allezeit halten, kan undt will nichts gegen I. M. sagen, aber die fuxschwentzer undt fuxschwentzerinnen, so umb den König sein undt welche ihr divertissement von unßern brieffen nehmen wollen, werde ich ihre eygene schande greülich lesen laßen machen undt vor augen stellen, so sie in dießem exercitium fortfahren. Nach dießer mahnung, die ich unßern mittlesern gebe, ist es auch woll einmahl zeit, daß ich auff E. L. gnädiges schreiben komme. … Ich muß gestehen, daß es mir eine rechte freüde wirdt sein, wenn ich vernehmen werde, daß die investiture vom Churfürstenthum geschehen wirdt sein, denn es hatt mich recht verdroßen, in der heüttige frantzösche gazette zu sehen, daß man hir dran zweyffelt, undt wan es geschehen wirdt sein, will ichs etlichen braff unter die naßen reiben. Ich jage fleißig, sonst würde mich die langeweill kranck machen … Ich bin E. L. meinung, daß man Bergami[1] nicht hir würde außgelacht haben, wenn er selber über sein courage gelacht hette, denn ehe die von der armée widerkamen, hatt man ihn nicht außgelacht. Es muß woll eine poßirliche sache sein, einem obersten verzehlen zu hören, daß ihm bang geweßen undt [er] vor dem feindt gezittert hette; ich vor mein theil, die nicht in krieg gehe undt nicht viel darnach frag, ob man sich braff schlagen kan oder nicht, habe Bergami nicht außgelacht, denn die affection, so er mir vor E. L. undt oncle undt alles was E. L. ahngeht, bezeugt, hatt mich sehr vor ihn pervenirt[2]. Er ist sehr resolvirt weg gezogen, E. L. alles zu verzehlen was er weiß, hoffe also, daß er E. L. baldt divertiren wirdt, denn er solle nur 6 Wochen in Engellandt bleiben. Es [171] wundert mir nicht, daß E. L. ungedultig über des abts litaneyen geworden sein; ich kan sie auch nicht außstehen; wenn ich sie zu St. Clou höre, gehe ich auß der kirch, denn das ewige ora pro nobis kan ich unmöglich vertragen. Die andtwort von Leibnitz finde ich sehr artig; wenn die devotten hir ohne interesse weren, charitable gegen ihre negsten undt nicht ambitieux, glaubte ich, daß ihre lange gebetter von Gott dem allmächtigen mögten erhöret werden, so lange ich sie aber auff dießen schlag sehen werde, nehmblich cholere, ambitieux undt interessirt, werde ich sie vor lautter heüchler undt hipocritten halten, undt kan nicht glauben, daß sie Gott ahngenehmer sein mögen alß ich, die [ich] nicht so viel bette, aber meinen nächsten kein unrecht thue. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 22. November 1692 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 170–171
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0153.html
Änderungsstand:
Tintenfass