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Brief vom 7. März 1694

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


177.[1]


[190]
Versaille den 7. Mertz 1694.
… Wenn das wetter zu Zelle ist wie hir, wirdt patte schön wetter zu der jagt haben. Ich habe auch dieße woche gejagt, umb mein miltz ein wenig wider zu recht zu bringen, das von der bludtslangen weill sehr geschwollen war. Ich glaube leicht, daß man sich woll in ehr undt gebür kan lustig machen undt daß man keine poire St. Elisabeth noch leberwurst dazu von nöhten hatt, allein hir im lande begreifft man keine lust ohne dergleichen, undt wenn es nicht auff etwaß wüst ablaufft, meint man, die zeit müst einen lang fallen. Ob Ester schon nicht wundt wurde von der leberwurst, ginge es ihr doch nicht beßer, denn die wurst brach ab im leib undt muste man den balbirer hollen, umb den rest von der wurst wider herauß zu ziehen; darüber kam die sach herauß. Wie ich höre, so soll der heüraht mitt Churbayern undt der princes von Pohln[2] noch nicht gantz richtig sein, könte also noch nur zu baldt auff eine von unßern princessinen[3] fahlen; ich sage: zu baldt, weillen ich persuadirt bin, daß sie nie glücklicher sein werden alß sie nun sein, wen sie auch bekommen mögen. Unßere liebe Churfürstin von Brandenbourg[4] ist gott sey danck zum glück geboren. Der allmächtige erhalte I. L. dabey! Es ist leicht zu sagen, daß man sich divertiren muß, wer aber nur bey grittlichen leütten ist, die alles übel nehmen, was man thut undt die unschuldigsten sachen übel außlegen, einen auch haßen undt ohne gelt laßen, da ist es nicht leicht, sich zu divertiren, undt umb das hertz in freüden zu haben, muß man bey leütten sein, so einen lieb haben, nichts übels zutrawen undt nichts mangeln laßen … Ich habe woll gedacht, daß unßere hertzogin[5] verwundert sein würde, zu sehen, wie die fürstlichen personen in Teütschlandt respectirt werden; hir im landt geht alles drunter undt drüber undt geht kein apartement[6] vorbey, daß ich nicht leütte muß auffstehen machen, so sich vor mir niedersetzen, ob sie mich zwar ins gesicht sehen, undt die kerls mehr alß die damens. Man weiß nicht hir, waß respect ist, kenen nur das wort, aber die that gar nicht. Die Churfürstin von Saxsen[7] solte ihre gesundtheit schonen, umb die Neitzschen[8] doll zu machen. Die Churfürstin jammert mich recht. Wenn eine modestie ist, daß die kerls wüstereien mitt einander machen, ist dießer hoff der modeste so jemahlen geweßen, denn ich glaube nicht, daß man es zu Platons zeitten doller hatt machen können, alß alle tag hir. Ich hab noch einen rechten teütschen sinn undt kan die gentilesse nicht begreiffen. Vergangen Freitag [191] haben wir die comedie von Medée[9] gesehen; mir gefehlt sie nicht. Sobaldt man die neüe comedie wirdt in truck geben, werde ich sie E. L. schicken. Mad. Cornuel[10] war nicht krencklich, hette also woll noch lange ohne incomoditet leben können; Carlin war noch elter, glaube ich, alß sie. Man sagt im sprichwort: wie gelebt, so gestorben[11]; so ist es dießen auch gangen, die birn werden zu starck gebraucht, kein urwerck würde es außdawern können ohne brechen … Auß alles was E. L. mir von den divertissementen von Hannover sagen, sehe ich freillig woll, daß die hungernoht nicht dortten ist gottlob, hir aber ist es ärger alß nie; ahn die arme Pfältzer[12] darff ich nicht gedencken … Ich beklage E. L., daß sie die liebe Churfürstin von Brandenburg baldt wieder verliehren werden; weillen E. L. aber einander offt wider sehen, geht es wie das sprichwort sagt:
Widerkommen macht,
Daß man scheyden nicht acht
[13].
Mein papir macht mich doll, es ist fett undt will die dinten nicht ahnnehmen; das macht mich so schöne säw machen, wie E. L. sehen …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 7. März 1694 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 190–191
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0177.html
Änderungsstand:
Tintenfass