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Brief vom 9. Mai 1694

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


180.


[193]
Paris den 9. May 1694.
… Unßere hertzogin von Hannover hatt mir geschrieben, daß E. L. nichts verendert sein undt die taille so schön alß jemahlen haben; welches desto mehr zu verwundern ist, indem E. L. so viel kinder gehabt haben … Ich glaube, daß der verwitibten Churfürstin[1] von Saxsen doch ein großer stein vom hertzen ist durch der gräffin Rockenitz[2] todt: es wundert mich nicht, daß sie melancolisch undt kranck geweßen, es ist schmertzlich, so ungerahtene kinder zu haben. Wie E. L. die dreyfaltigkeit außlegen, ist sie viel deüttlicher alß in etlichen glaubensbekandtnuß; wenn es mons. de Noyon[3] hörte, würde er versichern, daß E. L. von qualitet seyen, denn er sagt, die könten allein la trinité begreiffen, kein rotturier könte aber nie dazu gelangen. Der frieden ist auß manchen ursachen mehr alß jemahlen zu wünschen, denn die misere steckt jederman ahn wie eine kranckheit. Ich kan E. L. nicht beschreiben, wie ellendt alles nun ist. Mich hatt wunder genohmen, daß es so thewer zu Hannover seye, denn zu meiner zeit, deücht mir, war es nicht so. …
Ich bin gar zu natürlich, umb daß alle die grimassen, so in dießer religion sein, mir gefahlen können; ich finde es bludtslangweillig … Wenn ich so herumbrutzsche, das ist mir gesundt vor das miltz, aber plaisir kent man wenig hir, alles ist zu sehr gezwungen. E. L. werden woll thun, das badt zu brauchen, umb jungfer Cathrin[4] bastert schwester den abschidt zu geben … Hatt I. L. die churprintzes[5] ihre kinder denn nicht lieb, daß sie ihnen keine verenderung undt lust macht? Weillen der kleine printz[6] so viel verstandt hatt, habe ich woll gedacht, daß E. L. ihn lieb bekommen würden; wie kompts aber, daß dießer printz immer frantzösch spricht? redt man denn nun kein teütsch mehr in Teütschlandt? Die prudence fehlt dießem jungen [194] herren nicht, wie ich sehe, undt ist sehr considerirt, daß er seiner fraw mutter nichts sagen will, so er meint, ihr nicht gefallen könte. Es wundert mich, daß der Churfürst von Saxsen[7] niemands hatt, so ihm seine ridiculle weist, eine fraw[8] zu begraben mitt ceremonien undt eine rechte Churfürstin lebendig zu haben. Ich glaube, jederman fürcht seine fuchtel oder die brügel, wo er auch gar eyllfertig mitt ist. … Was mir gleich wunderlich ahn der Aromena[9] ist vorkommen, ist, daß ich sehe, daß er[10] biblische nahmen drin einführt; so baldt ich zu Versaille sein werde, will ich es ahnfangen zu lesen …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 9. Mai 1694 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 193–194
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0180.html
Änderungsstand:
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