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Versaille den 21. November 1694.
… Ich glaube nicht, daß jemandes dran denckt, die bewuste person
[1]
herzubringen undt sie religion zu endern machen. Blanchefort
[2] gestehet
selber, daß gar nichts übels ist vorgangen, wie er bey diß mensch
[3] zu
Venidig war, außer daß sie ihn nachts undt in secret durch die hinterthur
kommen ließ. E. L. haben gar recht errahten waß sie von der gräffin von
Platten
[4] gesagt hatt, denn sie sagte blat herauß, man solte in ihrer cammer
sagte reden, denn oncle
[5] schlieffe in der nebencammer bey der gräffin. Es
muß ein falsch thier seyn, weill sie so von denens spricht, welche sie ahm
meisten caressirt hatt. Es seindt aber etliche leütte, die sich dermaßen ahn
medissances gewohnen, daß sie auch ohne einigen haß alles übel von den
leütten sagen, so ihnen doch in der that lieb sein. Es seindt hir dergleichen
auch. Es ist kein aparentz, daß die gräffin Platten sich ahn einen so jungen
menschen, alß Königsmarck
[6] war, solte gemacht haben; ich glaube vielmehr,
wie E. L. sagen, daß sie ihn flatirt hatte in hoffnung, daß er ihre dochter
heürahten mögte, denn er war ein gutt parthey. Es kan aber woll sein,
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daß Königsmarck auß vanitet der geweßenen Churprintzes hatt weiß wollen
machen, daß alle weibsleütte von ihm verliebt seyen, damitt sie ihn desto
ahngenehmer finden möge, denn alle junge kerls seindt ordinaire voller
vanitet, undt wie sich dieße princes hernach hatt verrahten gesehen, hatt sie
sich eingebildt, die gräffin were schuldt dran. Die gräffin jammert mich, die
sach so zu hertzen genohmen zu haben, daß sie kranck drüber geworden ist.
So sachen, wenn sie nicht wahr sein, muß man nur verachten undt drüber
lachen, so wirdt man nicht kranck davon; aber es ist doch schmertzlich, sich
von jemandes so tracktirt zu sehen, so man gemeint einen lieb hatt, kan also
der gräffin eben nicht verdencken, daß sie sich erzürnt hatt …