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Brief vom 16. Dezember 1694

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


188.


[200]
Versaille den 16. December umb halb 7 abendts 1694.
… Ich hoffe, ich werde noch völlig auff E. L. gnädiges schreiben antworten können, ehe ich ’nüber zum nachteßen muß. Wenn ich E. L. pour le bon Dieu quittire, kan man alzeit woll nicht sagen, daß es vor mein plaisir ist, denn salut, predigt undt meße mögen woll gutt vor jene welt sein, in dießer aber seindt sie bitter langweyllig. Wenn man durch wenig freüde undt große tribullationen den himmel verdinen kan, werde ich schon genung verdint haben, eine große heylige zu werden. Wenn wahr ist, wie das geschrey geht, so wirdt baldt die langeweill viel ärger werden, denn man [201] sagt, man wirdt alle operaen undt commedien abschaffen, undt daß die Sorbonne[1] ordre hatt, hiran zu arbeitten. Ich bin versichert, daß dieß ebenso wenig von E. L. schmack sein wirdt alß vor mich, undt waß noch ahm wunderlichsten scheyndt, ist, daß man sich ahn solche inocente sachen henckt undt die verbiet, da doch alle abscheüliche laster jetzt im schwang gehen, alß mordt durch giefft, assassinats undt abscheüliche sodomie, wo niemandes gegen spricht undt alle prediger predigen mir gegen die arme commedien, so niemandes schaden thun undt worinen man die laster gestrafft undt die tugendt belohnt sicht; das ärgert mich erschrecklich … Es ist gar gewiß, daß unßer König schlime spinion[2] in Teütschlandt hatt, denn I. M. seindt schir allzeit übel informirt, wie es dort zugeht: die beste spionen behält man bey hoff, umb viel unnöhtige sachen zu erfahren. Ich habe woll gewust, daß die historie von der geweßenen Churprintzes[3] nicht wahr war; ich habe es auch I. M. gesagt. Waß anderst alß malicieusse desertion lest sich gedencken, aber nicht sagen: ich kan unmöglich einbilden, weßwegen dieße printzes so auff ihr separation treibt, denn da kan ihr ja nimmermehr waß guts auß kommen. Ich habe auch ahn I. M. den König gesagt, daß die gräffin von Platten nichts mitt der sach zu thun hette undt daß ich glaubte, daß es etwaß schweres were, Königsmarck wider hervor zu bringen. Es ist gewiß, daß alle die, so der Churprintzes böß maul entpfunden, woll ahn sie gerochen sein, denn niemandes zu sehen noch zu sprechen, von dem humor wie dieße printzes ist, ist straff genung. Weill diß mensch ihr herr vatter undt fraw mutter weiß konte machen was sie wolte, ist es woll ein glück, daß man ihnen endtlich hatt die warheit glauben machen undt sie nicht mehr an ihrer dochter boßheit zweyfflen können. Wie ich sehe, so habe ich recht errahten, wer mons. le Cocq ist. Wenn alle die, so nicht catholisch hir sein, nicht in die meß gehen sollen, würden viel capellen undt kirchen lehr bleiben, so jetzt gar voll sein … Lassé[4] ist gar modest, wenn man ihn von die Churprintzes spricht. Ich glaube, Königsmarcks exempel macht ihn bang …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 16. Dezember 1694 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 200–201
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0188.html
Änderungsstand:
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