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Brief vom 16. Januar 1695

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


192.


[204]
Versaille den 16. Januari 1695.
… Sobaldt ich nur 2 stundt in Paris bin, habe ich kopffwehe undt fält mir etwaß scharpffes in den halß, so mich immer husten macht, ich kan auch dort gar wenig schlaffen, denn die küchen seindt unter meiner kammer, undt zum beschluß so kan ich dort nicht jagen, noch die comedien mitt lust sehen, denn erstlich, umb in die comedie zu gehen, so muß man außfahren, undt wenn man drin ist, kan mans nicht mitt lust sehen, denn das theater ist immer so voller zuseher, daß sie pesle mesle mitt den comedianten stehen, welches gar unahngenehm ist, hernach auch so ist nichts langweilligeres, alß die abendten zu Paris: Monsieur spilt ahn einer großen taffel landtsknecht; mir ists nicht erlaubt, herbey zu nahen, noch mich bey dem spiel sehen zu laßen, denn Monsieur hatt den aberglauben, daß ich ihm unglück bringe, wenn er mich sicht; jedoch so will er haben, daß ich in derselben kammer sein muß. Alle die alten weiber, so nicht spiellen, fallen mir über den halß, die muß ich entreteniren. Das wehrt von 7 biß 10 undt macht greülich gehnen[1]; nachmittags, alle 2 tag einen, muß ich ins Port Royal, umb nichts zu endern, wie ich vor dießem gethan, aber ich habe dieselbe lust nicht mehr, dorthin zu gehen wie vor dießem, undt ist mir ein zwang worden. Auß dießem allen sehen E. L. woll, daß ich ohnmöglich mitt lust zu Paris sein kan; hir hergegen bin ich hübsch in ruhen. Erlaubt es das wetter, so gehe ich auff die jagt; ist comedie hir, so gehe ich nur eine stege herunder, so bin ich im sahl; niemandes ist auff dem theatre, also die commedie dans son lustre undt kost mir nichts. Ist apartement[2], so höre ich die musiq, undt nach der mußiq bin ich nicht obligirt, alte weiber zu entreteniren wie zu Paris. Les jours de rien bin ich in ruhen allein in mein cabinet, alwo mir die zeit nie lang felt. Zu Paris gibt es immer contretemps, man kan nie dort thun was man will, denn die stunden seindt nicht reglirt wie hir, summa es ist nichts dorten, so mir nicht widerlich ist. Undt deßwegen bin ich nicht gerne dortten; die meisten, so Monsieur die cour zu Paris machen, seindt nur seine seügigel[3], welche keine lust zu sehen machen, weill man [205] ihrendtwegen nicht haben kan waß von nöhten ist. Ich förchte, daß die trawer von der armen Königin Marie[4], welchen todt man nun vor gar gewiß weiß, E. L. carnaval interrompiren wirdt. Ich glaube, daß dießer todt dem König Wilhelm sehr zu hertzen wirdt gangen sein. Es mögte ihm auch woll schaden, denn man sagt, daß sich das parlement gleich nach dießer Königin todt solle separirt haben. Solte es den frieden können zuwege bringen, könte man mitt recht sagen: à quelque chose malheur est bon … E. L. werden auß meinem schreiben sehen, daß ich eben dieselbe gedancken habe wie E. L. undt glaube, daß die alte zot[5] die commedien hatt abschaffen wollen, damitt ihres geweßenen manns[6] seine nicht mehr mögen gespilt werden …
Es wundert mich gar nicht, daß das heürahten I. L. dem Churprintzen verleydt ist[7]; mitt einem solchen weib, wie die seine war, solten ihm alle weibsbilder verleydt werden undt ihm were es eher [weniger?] zu verdencken alß andern, wenn er die inclination überkommen solte, die man hir gesagt hatte, daß ihn seine geweßene gemahlin beschuldigt hette. Wenn man der geweßenen Curprintzes erlaubte, zu leben, wie es ihr gefelt, glaube ich, daß sie wenig darnach fragen solte, daß man ihr das widerheürahten verbietet. Wenn einmahl ihre ehescheydung volzogen wirdt sein, wirdt es ihr wenig nutzen, reüe zu haben. Waß vor einen titel wirdt sie aber hinfüro führen, wenn sie nicht mehr Churprintzesin sein wirdt? Ich kan nicht begreiffen, wie sie Lassé[8] hatt vor einen naren wollen passiren machen, denn er ist es gantz undt gar nicht, sondern einer von denen hir ahm hoff, der ahm meisten verstandt hatt undt raisonabel ist; ich kene ihn lengst, bin also fro, daß oncle meiner meinung ist …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 16. Januar 1695 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 204–205
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0192.html
Änderungsstand:
Tintenfass