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Brief vom 3. März 1695

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


198.


[210]
Versaille den 3. Mertz 1695.
… Die freüllen Königsmarck thut nicht übel, sich zu flattiren, daß ihr bruder noch lebt, denn das verhindert sie, trawrig zu sein. Patte[1] hatt jederman mitt seiner beständigkeit verwundert. I. L. fermeté, Dero fr. tochter[2] nicht bey sich zu haben, ist auch wundern wehrt, aber diß ist viel löblicher, alß das erste, denn das erweist, wie sehr I. L. ihm seine ehre ahngelegen sein laßen. Ich glaube, die dame verlangt nach Allen[3] zu gehen, umb ein wenig zu reißen undt lufft zu endern. Ich glaube nicht, daß sie große lust außzureißen hatt, denn weillen ihr herr vatter sie nicht sehen will, wo solte sie denn hin? Es muß Wackerbardt[4] undt seiner fraw[5] eine rechte qual sein, bey dießer damen zu sein, denn bey jemandes eingespert zu sein, so einen hast, muß langweillige tage machen. … Ich kan woll nicht klagen, wie E. L., daß mein sohn ein Caton ist undt zu serieux vor sein alter, wie woll sein humor in der that serieux solte sein undt er gar keine grace im raßen hatt, thut es auch nur, umb andere nachzuaffen, undt das verdriest mich nur, denn were es sein naturel, hette ich nicht die helffte so viel dagegen zu sagen; daß er sich aber mitt gewalt zum bößen undt lapereyen zwingen will undt mitt fleiß alles verhehlen was er gutt ahn sich hatt, das habe ich mühe außzustehen. Wie ich sehe, so machen es die junge leütte bey E. L. wie hir, da niemandes mehr tantzen will, hirgegen lehrnen sie alle die musiq, das ist jetzt die große mode hir undt alle junge leütte von qualitet, sowoll männer alß weiber. Wenn Monsieur sein gelt nur verspilte, würde es noch woll hingehen, daß er aber mitt etlichmahl hunderttaußendt francken das seine weg gibt undt man alles wider ahn seine kinder undt mir ersparen [211] will, das ist nicht gar ahngenehm, denn das setzt unß in einen standt, daß (da Gott vor sey) wenn Monsieur solte zu sterben kommen, wir bloß von des Königs gnaden leben müsten, welches eine gar ellende sache ist; zudem so macht es auch, daß wir nie kein heller haben undt offt das nöhtige manquiren, welches nicht ahngenehm ist. Jedoch so laße ich ihn gewehren undt sage ihm nie nichts hirauff, so ihm mißfahlen könte, E. L. aber sage ichs, weillen ich E. L. allezeit alles vertrawe was mich ahngeht. Durch eines meiner schreiben werden E. L. ersehen, warumb die historie von dem gespenst von mad. de Blain ist inventirt worden. Es ist leyder nur zu wahr, daß die todten nicht wider kommen; der printz de Conti[6] hatte mir fest versprochen drey wochen vor seinem todt, daß, wenn es möglich sein könte, wolte er widerkommen undt mir zeittung von jener weldt sagen, er ist aber nicht wiederkommen …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 3. März 1695 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 210–211
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0198.html
Änderungsstand:
Tintenfass