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Brief vom 9. März 1695

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


200.


[211]
Versaille den 9. Mertz umb 7 uhr abendts, 1695.
… Es scheint woll, es ist kein [Mittel] mehr zu finden, so die leütte konte lang leben machen ohne zu veralten. Ich glaube nicht, daß Sapho meiner meinung wie E. L. geweßen, alß sie so verliebt von dem schönen Phaon war[1]. Ich habe ihr contrefait in einen stein geschnitten, werde diß paquet damitt pitschiren. Weillen der junge Offen[2] bey die herren jesuwitter erzogen worden, wirdt man ihm woll vielleicht nichts hir lernen können, so ihm dieße herren nicht schon unterricht haben, denn hir lernen sie [212] in die collegien alle wüstereyen, wie mir mehr alß 4 oder 5 selber gestanden haben. Ich habe heütte ahn mein Harling[3] gesagt, wie daß E. L. seiner braut schönheit so sehr loben. Es seindt wenig mäner undt weiber, so mitt einander reden dörffen, die mode ist gantz abkommen. Ich bin woll E. L. meinung, daß die laster so überhandt genohmen haben, seyder dem man l’honneste liberté abgeschafft hatt. Man hört nur von leütten reden, so sich umb leben bracht haben, einer hatt sich erseüfft undt ein docktor im colegium de Navare hatt sich vor zwey tagen den halß abgeschnitten undt ein zupitschirt brieffgen auff seine taffel gelegt, worinen stundt, er bette Gott umb verzeyung, daß er sich umbbrächte, mais qu’il ce[4] tuoit ne pouvant plus soutenir la misere de la vie … Ambott hatt mir heütte noch versichert, daß er ein gantz jahr vor 5 jahren zu Hannover geweßen; wäre noch gar jung [geweßen], undt die abtißin von Herfordt wüste woll, von waß einem vornehmen geschlegt er were; er redt nicht übel undt schreibt woll, allein er kompt mir ein wenig voller vanitetten vor[5]. In der Pfaltz heißen wir les grattescu[6] nicht ahmbotten, sondern hambutten. Dießer junge mensch ist ein Churländer; er sagt, seine mutter were gestorben, sein vatter hette sich mißheüraht undt seine stieffmutter haße ihn alß den todt, dörffte also nicht nach hauß…
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 9. März 1695 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 211–212
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0200.html
Änderungsstand:
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