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Brief vom 3. Juli 1695

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


210.


[217]
St. Clou den 3. Julli 1695.
… Wenn man die pfaffen machen lest, wollen sie allezeit regiren, wo sie auch sein mögen; das kan mich in allen religionen verdrießen. Mich [218] deücht, was sie zu Berlin gethan[1], ist ein manque de respect vorm Churfürsten undt die Churfürstin, man solte sie beßer leben lehrnen alß so. Mein patgen[2] hatt doch woll gethan, die sach zu verachten undt nur drüber zu lachen undt sich sonst lustig zu machen. Mich deücht, daß das den jungen leütten kein gutte impression geben kan, daß man solch wercks umb eine bagatelle macht, alß wie ein opera ist, da ja nichts in ist, so Gott oder die welt choquiren kan; damitt werden die herren predicanten mehr catholische machen, alß der König mitt seine dragoner. Der Churprintz[3] muß possirlich sein, seine harangue vor eine predigt gehalten zu haben. Ich glaube, die herren prediger konten woll zuvor glauben, daß ihre harangue bey einem kint von 6 jahren kein andern effect thun würde, alß vor eine predigt gehalten zu werden. Ich bin fro, daß madame Klenck woll mitt mir zufrieden ist, ihre dochter sahe ich gestern. Ich glaube, oncle singt nur das liedt vom Hartz, weillen E. L. selber über die winde lachen, denn wegen alter kan er E. L. nichts vorwerffen, indem I. L. nicht jünger sein. Die alte rompompel[4], welche sich noch putzt, bildt sich noch waß sunders ein; ich finde sie aber nicht schön. Ich bin fro, daß E. L. gerne lang leben wollen, denn das macht mich hoffen, daß E. L. fleißig vor Dero gesundtheit sorgen werden. Ich finde, daß, wenn es gleich nicht wahr sein solte, daß ein ander leben seye nach dießem, so were es doch woll gethan, sich solches einzubilden, umb sich zu trösten, denn nichts anderst zu sein alß der würmer speiß, ist gar etwaß zu abscheülich. Umb die warheit zu bekennen, so bin ich gantz E. L. meinung[5] undt kan keinen freyen willen glauben, denn mich deücht, daß nichts klarer undt handtgreifflicher undt augenscheinlicher ist, alß daß alles durch enchainement regirt wirdt undt wir gar keinen freyen willen [219] haben. Dieße opinion kan in unfall trösten. Ich weiß leyder woll, daß mitt mad. de Klenck zu E. L. nach Hannover zu gehen, nur ein bloß schloß in der lufft gebawet ist, aber was woll einmahl geschehen könte, wenn es frieden were, ist, daß wenn der König eine reiße in Flandern thäte undt E. L. in der zeit eine in Hollandt, daß man ahn einem ort zu einander kommen könte, alß wie ich mein fraw mutter s[eelig][6] in Teütschlandt undt zu Bockenheim gesehen habe. Auffs wenigst will ich mich flattiren, daß es geschehen könte, umb eine hoffnung in dießer welt zu behalten, denn außer dieße habe ich gar keine. Ich kan mir unmöglich einbilden, daß, wenns möglich sein könte, daß ich wider bey E. L. zu Hannover were, daß ich solches müde könte werden, denn mich deücht, man ist immer wohl, wenn man bey leütten ist, so man persuadirt, so einen gern sehen undt nicht haßen, insonderheit wenn man lange jahren gelebt hatt bey denen, so einen haßen. In der großen welt lebe ich gar einsam, gehe mitt wenig leütten umb undt bin ordinari im sommer 5 stundt undt im winter 7 stunden gantz allein; da sehen E. L., daß ich die geselschafften du grande monde gar nicht suche. E. L. haben zwar recht, zu sagen, daß man in den kinderjahren alles ahngenehmer findt alß wenn man ahnfangt, alt zu werden; allein was doch allezeit gutt ist, ist, bey leütten zu sein, so man ahm liebsten hatt … Bey hoff ist gar keine conversation mehr, man spilt immer, undt redt man in einer wochen einmahl, ist es ordinari umb tracasserien undt händel. Das hatt mir die geselschafften gantz verleydt, bin derowegen lieber allein, wo ich mir die zeit gar nicht lang laß werden, denn entweder ich leß oder schreibe oder gehe mitt meinen pitschirgen umb oder ich spielle auff meiner quithare, summa: die zeit wirdt mir nie alleine lang, aber offt, wenn ich in geselschafft sein muß.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 3. Juli 1695 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 217–219
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0210.html
Änderungsstand:
Tintenfass