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St. Clou den 3. Julli 1695.
… Wenn man die pfaffen machen lest, wollen sie allezeit regiren,
wo sie auch sein mögen; das kan mich in allen religionen verdrießen. Mich
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deücht, was sie zu Berlin gethan
[1], ist ein manque de respect vorm
Churfürsten undt die Churfürstin, man solte sie beßer leben lehrnen alß so. Mein
patgen
[2] hatt doch woll gethan, die sach zu verachten undt nur drüber zu
lachen undt sich sonst lustig zu machen. Mich deücht, daß das den jungen
leütten kein gutte impression geben kan, daß man solch wercks umb eine
bagatelle macht, alß wie ein opera ist, da ja nichts in ist, so Gott oder die
welt choquiren kan; damitt werden die herren predicanten mehr catholische
machen, alß der König mitt seine dragoner. Der Churprintz
[3] muß
possirlich sein, seine harangue vor eine predigt gehalten zu haben. Ich glaube,
die herren prediger konten woll zuvor glauben, daß ihre harangue bey einem
kint von 6 jahren kein andern effect thun würde, alß vor eine predigt
gehalten zu werden. Ich bin fro, daß madame Klenck woll mitt mir
zufrieden ist, ihre dochter sahe ich gestern. Ich glaube, oncle singt nur das
liedt vom Hartz, weillen E. L. selber über die winde lachen, denn wegen
alter kan er E. L. nichts vorwerffen, indem I. L. nicht jünger sein. Die
alte rompompel
[4], welche sich noch putzt, bildt sich noch waß sunders ein;
ich finde sie aber nicht schön. Ich bin fro, daß E. L. gerne lang leben
wollen, denn das macht mich hoffen, daß E. L. fleißig vor Dero gesundtheit
sorgen werden. Ich finde, daß, wenn es gleich nicht wahr sein solte, daß
ein ander leben seye nach dießem, so were es doch woll gethan, sich solches
einzubilden, umb sich zu trösten, denn nichts anderst zu sein alß der würmer
speiß, ist gar etwaß zu abscheülich. Umb die warheit zu bekennen, so bin
ich gantz E. L. meinung
[5] undt kan keinen freyen willen glauben, denn mich
deücht, daß nichts klarer undt handtgreifflicher undt augenscheinlicher ist, alß
daß alles durch enchainement regirt wirdt undt wir gar keinen freyen willen
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haben. Dieße opinion kan in unfall trösten. Ich weiß leyder woll, daß
mitt mad. de Klenck zu E. L. nach Hannover zu gehen, nur ein bloß
schloß in der lufft gebawet ist, aber was woll einmahl geschehen könte, wenn
es frieden were, ist, daß wenn der König eine reiße in Flandern thäte undt
E. L. in der zeit eine in Hollandt, daß man ahn einem ort zu einander
kommen könte, alß wie ich mein fraw mutter s[eelig]
[6] in Teütschlandt undt
zu Bockenheim gesehen habe. Auffs wenigst will ich mich flattiren, daß
es geschehen könte, umb eine hoffnung in dießer welt zu behalten, denn außer
dieße habe ich gar keine. Ich kan mir unmöglich einbilden, daß, wenns
möglich sein könte, daß ich wider bey E. L. zu Hannover were, daß ich solches
müde könte werden, denn mich deücht, man ist immer wohl, wenn man bey
leütten ist, so man persuadirt, so einen gern sehen undt nicht haßen,
insonderheit wenn man lange jahren gelebt hatt bey denen, so einen haßen. In der
großen welt lebe ich gar einsam, gehe mitt wenig leütten umb undt bin
ordinari im sommer 5 stundt undt im winter 7 stunden gantz allein; da
sehen E. L., daß ich die geselschafften du grande monde gar nicht suche.
E. L. haben zwar recht, zu sagen, daß man in den kinderjahren alles
ahngenehmer findt alß wenn man ahnfangt, alt zu werden; allein was doch
allezeit gutt ist, ist, bey leütten zu sein, so man ahm liebsten hatt … Bey hoff
ist gar keine conversation mehr, man spilt immer, undt redt man in einer
wochen einmahl, ist es ordinari umb tracasserien undt händel. Das hatt mir
die geselschafften gantz verleydt, bin derowegen lieber allein, wo ich mir die
zeit gar nicht lang laß werden, denn entweder ich leß oder schreibe oder gehe
mitt meinen pitschirgen umb oder ich spielle auff meiner quithare, summa:
die zeit wirdt mir nie alleine lang, aber offt, wenn ich in geselschafft sein muß.