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Brief vom 21. September 1695

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


215.


[223]
Port Royal den mittwog 21. Sept. [1695],
… Ich gestehe, daß ich viel curieuser bin, alß des Königs sohn[1], allein es ist doch nicht recht thumigkeit[2] schuldt, daß er nach nichts nicht fragt, sondern nur eine faullheit undt nachläßiger humor, denn ich kan E. L. versichern, daß er doch nicht gantz von verstandt manquirt. Er kan braff railliren undt verstehet raillerie; alles nimbt er doch genau in acht undt sicht alles geschwindt, so daß, wenn man offt meint, er sehe nichts undt denckt ahn nichts, weiß er doch alles undt kans offt apropo hervor bringen. Er ist in alles gar ein rarer humor, greülich dissimulirt undt sagt gar selten waß er denckt. Es seindt wenig leütte in der welt wie er ist; er haßt niemandts undt liebt nichts, kan doch woll alles unterscheiden undt spricht wohl, wenn er will. Man kan nicht sagen, daß er einen großen verstandt hatt, man kan aber auch nicht sagen, daß er thum ist, denn er merckt alles gar genaw undt sicht alle ridiculle wohl, auch seine eygene, will sich aber gar nicht corrigiren undt hatt eine solche indifferentz vor alles, daß es ihm all eins ist, ob man ihn haßt oder liebt, veracht oder ehrt, summa er ist ein recht rar personage. … Solte des Königs sohn einmahl König werden, würde sein escuyer du Mont[3] viel zu sagen haben undt auch der confident St. More[4]; das werde ich woll nicht zu sehen bekommen, bekümmere mich also wenig, wie es alßdan hergehen wirdt. Es ist gar gewiß, daß wenn die 30 escadrons nicht durchgangen weren, würden unßere printzen greüliche gefahr außgestanden haben; hette es nur den lahmen[5] getroffen, were der schaden nicht groß geweßen, es weren noch böße menschen genung in der welt geblieben. Ein gutter frieden were woll zu wünschen undt je eher je beßer. Mich deücht, man thete beßer, hir Strasbourg undt Luxembourg zu cediren, alß zu erwartten, daß man es vor der naßen wegnimbt, denn seyder ich gesehen, daß man Namur weg hatt, glaube ich, daß man alles nehmen kan, denn ich hatte gehört, daß es inprenable war; jedoch so hatt einer von meinen bekanten hir mir immer gesagt, daß Namur würde eingenohmen werden, wo man nicht gleich zu hülffe käme. König Wilhelm hatt sich eine große gloire dadurch erworben[6]; hir im landt selber wirdt er schrecklich gelobt. …
Louisse hatt mir geschrieben, daß gar gewiß kein kindt von unßer papa s[eelig] in der Schweitz seye[7], daß herr Fabritzius vor 6 jahren in der Schweitz geweßen undt dort erfahren, daß das kindt nur 6 wochen alt geworden seye undt hernach gleich gestorben undt daß des kindts mutter 4 kinder mitt ihrem itzigen mann hatt, welcher burgermeister geweßen, aber abgesetzt seye worden … [224]
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 21. September 1695 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 223–224
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0215.html
Änderungsstand:
Tintenfass