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Brief vom 7. März 1696

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


234.


[237]
Versaille den 7. Merz 1696.
Gestern nahm mad. de Klenck abschidt von mir, wirdt biß Donnerstag oder auffs lengst biß Sambstag wider weg, werde also mein hertzlieb ma tante alles sagen, wie es hir ist: will bey Monsieur ahnfangen: der hatt nichts in der welt im kopff alß seine junge kerls, umb da gantze nächte mitt zu freßen, zu sauffen, undt gibt ihnen unerhörte summen gelts, nichts kost ihm noch ist zu thewer vor die bursch; unterdeßen haben seine kinder undt ich kaum was unß nöthig ist. Wenn ich hembter undt leinducher von nöhten habe, muß jahr undt tag drumb gebettelt werden undt in derßelben zeit gibt er 10 000 thaller ahn la Carte[1], um sein weißzeüg in Flandern zu kauffen, undt weillen er weiß, daß ich woll nicht ignoriren kan, wo alles gelt hinkompt, mißtraut er mir deßwegen undt förcht, daß ich mögte dem König die sach verzehlen, welcher die buben wegjagen mögte. Was ich auch thun oder sagen mag, umb zu weißen, daß ich sein leben nicht übel finde, so trawet er mir doch nicht undt macht mir alle tage neue händel bey dem König, sagt, ich haße den König; wirdt übel geredt, so sagt Monsieur zum König, ich hette es gethan undt lügt noch braff darzu, undt offt gestehet er mir selber alles übel, so er von mir geredt hatt. Dadurch entfernt er mir den König dermaßen, daß ich nie woll bey dem König stehen kan. Meine eygene kinder hetzt er teglich gegen mir auff: meinem sohn, damitt er nicht mercken möge, wie wenig man vor ihn sorgt, lest er immer alle debauchen zu undt erhelt ihn darinnen. Wenn ich meinem sohn dan rahten will, dem König beßer zu gefahlen undt von den lastern abzustehen, lacht mich Monsieur mitt mein sohn auß, führen ein leben zu Paris, daß es eine schande ist. Mein sohns inclinationen sein gutt undt könte waß rechts werden, wenn ihn Monsieur nicht verdürbe. Meine dochter die steckt er zwar gottlob in keine debauchen, undt ich muß die warheit sagen, das medgen hatt die geringste pente nicht zur galanterie, allein Monsieur lest mich nicht meister über sie sein, führt sie immer, wo ich nicht bin und umbringt sie mitt solch lumpenzeüg, daß es ein recht miracle ist, daß sie nicht verdorben wirdt; zudem so predigt er ihr einen solchen haß gegen die Teütschen ein, daß sie schir selber bey mir nicht dawern kan, weillen ich eine Teütsche bin, undt das macht mich förchten, daß es mitt ihr gehen möge wie mitt meinem sohn undt daß sie sich erster tagen wirdt bereden laßen, den bastard[2] zu nehmen. Vor den leütten macht Monsieur mir zwar gutte minen, in der that aber kan er mich nicht leyden. [238] Sobaldt er von meinen domestiquen sicht, es sey manns- oder weibsperson, daß sie sich ahn mich attachirt, hast er sie gleich undt thut ihnen alles zu leydt, was er kan; die mich aber verachten, seindt ahm besten bey ihm dran. Nicht allein bey dem König, sondern auch bey mons. le dauphin undt alle menschen thut er was er kan, mich verhast zu machen. Wenn ich ihm dan sag: pourquoy me voulés vous faire hair, Monsieur? so andtwort er nicht, schudelt den kopff undt lacht. Unterdeßen so thue ich doch mein bestes undt lebe hofflich undt mitt großem respect mitt ihm undt thue alles was er will. E. L. können aber woll glauben, daß mich dießes kein glückliches noch ahngenehmes leben macht. Was die Maintenon[3] ahnbelangt, so ist sie dermaßen jaloux von ihrer authoritet, daß Monsieur ihr einen rechten gefahlen thut, mich übel bey dem König ahnzutragen; sie hette mich auch woll gerne etlichmahl gegen Monsieur auffgerupfft, denn sie hatt mir offt sagen laßen, daß Monsieur mich gar übel bey dem König ahntregt, allein ich habe geantwordt, daß ich hoffte, daß der König gerecht genung sein würde, umb zu examiniren, was wahr sey oder nicht, undt weillen ich mein bestes thet, eine ireprochable conduitte zu haben, so könte mir nicht bang sein, denn wenn man auff mich lüge, müsten die, so lügen, die schande haben, mitt lügen zu bestehen; wolte man mich aber ungehört condamniren, müste ich mich trösten, unglücklich, aber nicht schuldig zu sein. E. L. können nicht glauben, wie diß alte weib ein bößer teüffel ist undt wie sie sucht, die leütte gegen einander zu hetzen. Ob sie zwar jetzt höfflicher mitt mir lebt, ist doch [239] nicht zu glauben, daß sie mir jemahlen einigen dinst thun wirdt, denn in der that hast sie mich erschrecklich undt der König thut blindtlings alles was sie will. Meines sohns gemahlin[4] ist ein widerliches mensch, seüfft sich alle woch 3 oder 4 mahl sternsvoll, hatt gar keine inclination zu mir; wenn ich ahn einem ort bin, kan man kein wort auß sie bekommen; dießen argwohn hatt ihr die Maintenon eingepflanzt. Im übrigen zicht mir der König alle bastard vor; soll man mitt ihm irgendts hin, muß in der princessinen nahmen die damens geholt werden, sie seindt bei alles particulir, undt ich muß alle abendt vor meinen augen sehen, daß mad. de Chartre[5] ins Königs cabinet geht, mir aber die thür vor der naßen verschloßen wirdt. Ich habe Monsieur meine meinung davon gesagt, der ist aber gar fro, daß es so ist, undt weillen der König sicht, daß, je weniger wercks er auß mir macht, je lieber hatts Monsieur, so muß ich alß übel tractirt werden; ja der König weiß so woll, daß es Monsieur gefelt, mich zu verachten, daß, wenn sie übel mitt einander stehen, allezeit das raccomodement ist, daß man den buben, so Monsieurs favoritten sein, gutts thut undt mich übel tractirt. Alles silberzeug, so auß der Pfalz kommen, hatt Monsieur verschmeltzt undt verkaufft undt alles den buben geben; teglich kommen neüe ahngestochen; alle seine juwellen werden verkaufft undt versetzt, gelt drauff gelehnt undt den jungen leütten geben, also daß, da Gott vor seye, wenn Monsieur heütte zu sterben kommen solte, muß ich morgen bloß von des Königs gnaden leben undt werde das brodt nicht finden. Monsieur sagt überlautt undt hatt seiner dochter undt mir nicht verhelt, daß, weillen er ahnfange, alt zu werden, habe er keine zeit zu verseümen, wolle alles ahnwenden undt nichts sparen, umb sich biß ahn sein endt lustig zu machen, daß die[, so] lenger alß er leben würden, zusehen mögen, wie sie ihre zeit zubringen, daß er sich selber lieber hette alß mich undt seine kinder. Er practicirt in der that, wie er es sagt. Ja, wenn ich E. L. alle particulariteten verzehlen solte, müste ich ein gantz buch schreiben. Alles hir ist pure interesse undt falschheit, das macht das leben sehr unahngenehm. Will man nicht mitt intriguen undt galanterien zu thun haben, so muß man à part leben, welches auch langweylig genung ist. Umb mich die trawerigen reflectionen auß dem kopff zu bringen, jage ich so viel ich kan; welches aber nicht lenger wirdt dawern können, biß meine arme pferde nicht mehr werden gehen können, denn Monsieur hatt mir nie keine neüe gekaufft undt wirdt sie mir auch woll nicht kauffen, der König hatt sie mir bißher geben. Aber nun ist die zeit schlim, jedoch will ich mich nicht vor der zeit plagen; gar keine lust kan man hir nicht haben, denn redt man frey, hatt man täglich eine neüe querelle über den halß, muß man sich aber zwingen, so ist keine lust bey nichts; die junge leütte seindt so brutal, [240] daß man sie fürchten muß undt nicht mitt ihnen reden noch umbgehen mag; die alten seindt voller politiq undt gehen nur mitt einem umb, nachdem sie sehen, daß einen der König ahnsicht. Auß dießem allen sehen E. L., daß es hir nicht zum besten zugeht; ich quälle mich aber nicht undt nehme die zeit wie sie kompt; ich halte mich so ehrlich undt woll, alß ich kan; erfahre ich etwaß, so schweyg ich still undt laß mich nichts mercken undt lebe gar einsahm, denn, wie schon gesagt, nirgendts ist nichts ahngenehmes vor mich. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 7. März 1696 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 237–240
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0234.html
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