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Brief vom 29. April 1696

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


238.


[242]
Paris den 29. April 1696.
… Ich finde nichts gemächlichers im winter, alß gantz in sampt gekleydt zu sein, denn das helt warm undt ist leicht, denn schwere kleyder mag ich gar nicht tragen, werde also alle winter die mode folgen. Ich erinere mich gar woll der cammer, so E. L. in der kirch zu Hannover hatten undt wo E. L. durch Dero garderobe hingingen: auff der rechten handt, wenn man ’nein geht, ist das camin zwischen die thür undt ersten fenster, wo man in die kirch ’nein sicht. Zu meiner zeit stund eine taffel vor dem camin undt ein großer schirm war umb die taffel undt mein stuhl war jenseit des schirms. Ich fürchte, daß das schreiben mitt dem langen fasten E. L. mehr wirdt abgematt alß gelabt haben. Ich hoffe, E. L. werden mir die gnade thun undt das teütsche opera schicken, so zu Berlin wirdt gesungen werden. Hir in Franckreich macht man kein heylig grab. Es geht ein geschrey (ich wolte, daß es wahr were), nehmblich daß pfaltzgraff Carl von Neuburg, der jetzt nach Wien wirdt [gehen], von dar geraht nach Hannover gehen solle, mitt princes Amelie[1] beylager zu halten. Die histori, so mir E. L. von der hollandischen fraw schreiben, gemandt mich ahn die vom conte de Gramont: wie er vor 2 jahren auff den todt lag, laß man die passion vor; die hatte er sein leben nicht auff frantzösch gehört, wuste also gar nichts davon; wie es ahn dem kam, wo die jünger unßern herrn Christum verlaßen, da fing der conte de Gramont ahn zu weinen undt sagte: ah les traistres! mais aussy pourquoy prenoit il des marauds pour le suivre et des comunes gens comme des pecheurs, que ne ce[2] faisoit il suivre par des gentilshommes gascons, ils ne l’auroient jamais trahi ny abandonné; darnach rief er seine fraw undt sagte: contesse, tout ce qu’on me vient de lire là, cela est il bien vray? Die contesse de Gramont hatt mir es selber verzehlt undt ich habe den conte de Gramont gefragt, ob es wahr seye? Er gestehts. … Es geht ein geschrey, daß Konig Jacob heütte oder morgen wider zu St. Germain sein wird; nach aller aparentz wirdt der printz de Galle lenger alß König Wilhelm leben, also woll wider zu seinem [243] trohn kommen … E. L. können nicht glauben, wie abscheülich die weiber jetzt hir in Franckreich sauffen, ich kan es nicht begreiffen undt kompt mir gar ekelhafft vor. … Da hatt man mir noch eine historie verzehlt, so dieße woch geschehen, so all poßirlich. In dießer woche ginge eine fraw zur beichte; wie sie eben in der beicht war, ließ sie einen fahren, erschrack aber sehr drüber undt meinte, es were eine abscheüliche sünde. Der beichtsvatter andtwortete gravement: Madame, ce n’est jamais un peché à moins qu’il ne soit asses grand pour esteindre touttes les sierges[3] et lampes de l’esglise. Da sehen E. L., daß man jetzt von nichts alß von met verlöff met verlöff furtzen spricht.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 29. April 1696 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 242–243
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0238.html
Änderungsstand:
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