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Brief vom 18. Januar 1697

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


272.


[273]
Versaille den 18. Januari 1697.
Durch dieße gutte gelegenheit von mons. Offen[1] will ich E. L. alles sagen, wie es nun hir ist, undt bey dem König ahnfangen. Verblendter alß dießer herr ist, kan man ohnmöglich sein; er glaubt alles was das alte weib[2] ihm sagt; wen sie will daß er soll lieb haben, den hatt er lieb; der haß ist eben deßgleichen. Das weib mischt sich in alles, undt wie sie gar capricieux undt boßhafft ist, so hört man überall nichts alß klagen. Mir ist sie nun desto gefährlicher, daß sie im schein woll mitt mir lebt, unter der handt aber schadt sie mir so viel sie kan undt macht, daß der König nicht allein gar kaltsinnig mitt mir lebt, sondern auch daß er gantz mißtrawisch gegen mir ist undt mich recht hast. Monsieur[3] ist hertzlich fro hirüber undt thut allezeit sein bestes, des Königs haß undt mißtrawen gegen mir zu erhalten, denn er fürcht, daß, wenn ich bey dem König in gnaden sein mögte, daß ich alles sagen mögte, wie er all das seinige mitt den buben verthut undt daß der König einige von dießen jungen bürschger weg jagen mögte. Undt ob ich schon mein bestes thue, ihm zu erweißen, daß ich den buben kein leydt thun will, daß ich freündtlich undt höfflich mitt ihnen rede, so kan ich ihn doch nicht rassuriren, undt weillen ich dan sehe, daß weder bey dem König noch Monsieur nichts hilfft, daß ich das alte weib besuch, flattire, wie auch woll mitt den jungen bursch lebe, so dencke ich auch nicht, daß ich es endern kan, thue nur, waß ich meine, daß ahm raisonablesten ist, undt gehe meinen geraden weg fort … Der König thut nichts alß was seine zott will, haßt auch die, so er ahm meisten liebt, sobaldt sie will. Monsieur denckt ahn nichts alß was seiner buben bestes ist, frägt sonsten nach nichts; alle andern seindt auch falsch, undt die knechte undt valletaille[4] seindt schir überall herr undt meister. Vor 8 tagen hatt er noch 100 000 francken ahn einen mitt nahmen Contade[5] geben, umb Rubantels[6] compagnie zu kauffen; alle seine schöne juwellen undt demanten werden stück nach stück verkaufft; unterdeßen lest man mich ohne mir zu geben was ahm nohtwendigsten ist. Mein sohn machts nicht viel beßer, alß Monsieur, gibt alles ahn sein metres; zum neüjahr hatt er ihr diß jahr vor 1500 pistollen geben, 2 pendeloquen vor 800 pistollen undt das überige in bijoux; lest sich auch von seine cammerdiner gouverniren undt desbauchirt so erschrecklich, daß ich fürchte, daß es ihm endtlich das leben kosten wirdt. Monsieur widerspricht ihm in nichts, damitt er ihm auch nichts sagen möge; Monsieur fragt auch nichts darnach, ob er lebt oder nicht; ich aber, die in der that seinen todt förchte, predige ihn undt werde ihm also allein unahngenehm. Monsieur flatirt mein dochter auch undt thut sein bestes, sie gegen mich auffzuhetzen. So bring ich mein [274] leben zu, welches dan nicht zum ahngenehmbsten ist. Mons. le dauphin mischt sich in nichts in der welt, steckt all sein leben bey die princes de Conti, welche er zwar außlacht, aber doch eben so sehr von ihr gouvernirt ist, alß der herr vatter von der Maintenon. Er ist verliebt von einer comediantin, die lest er nach Meudon kommen undt hatt sie nachts bey sich; tags lest er im garten arbeitten undt sicht zu; abendts ißt er umb 4, denn er ißt nicht zu mittag, sondern frühstückt nur; umb 4 ißt er mitt alle die cavallirs, so bey ihm seindt, ist 2 stundt ahn taffel undt seüfft sich voll. So bringt er sein leben zu. Mad. la duchesse[7] ißt, drinckt undt spilt landtsknecht undt spricht von jederman übel. So ist es hir; wie ich mein leben zubringe, wirdt mons. Offen E. L. leicht erzehlen können, denn es ist alß dasselbe undt endert nicht. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 18. Januar 1697 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 273–274
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0272.html
Änderungsstand:
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