[273]
Versaille den 18. Januari 1697.
Durch dieße gutte gelegenheit von mons. Offen
[1] will ich E. L. alles
sagen, wie es nun hir ist, undt bey dem König ahnfangen. Verblendter alß
dießer herr ist, kan man ohnmöglich sein; er glaubt alles was das alte weib
[2]
ihm sagt; wen sie will daß er soll lieb haben, den hatt er lieb; der haß ist
eben deßgleichen. Das weib mischt sich in alles, undt wie sie gar capricieux
undt boßhafft ist, so hört man überall nichts alß klagen. Mir ist sie nun
desto gefährlicher, daß sie im schein woll mitt mir lebt, unter der handt aber
schadt sie mir so viel sie kan undt macht, daß der König nicht allein gar
kaltsinnig mitt mir lebt, sondern auch daß er gantz mißtrawisch gegen mir
ist undt mich recht hast. Monsieur
[3] ist hertzlich fro hirüber undt thut
allezeit sein bestes, des Königs haß undt mißtrawen gegen mir zu erhalten,
denn er fürcht, daß, wenn ich bey dem König in gnaden sein mögte, daß ich
alles sagen mögte, wie er all das seinige mitt den buben verthut undt daß
der König einige von dießen jungen bürschger weg jagen mögte. Undt ob
ich schon mein bestes thue, ihm zu erweißen, daß ich den buben kein leydt
thun will, daß ich freündtlich undt höfflich mitt ihnen rede, so kan ich ihn
doch nicht rassuriren, undt weillen ich dan sehe, daß weder bey dem König
noch Monsieur nichts hilfft, daß ich das alte weib besuch, flattire, wie auch
woll mitt den jungen bursch lebe, so dencke ich auch nicht, daß ich es endern
kan, thue nur, waß ich meine, daß ahm raisonablesten ist, undt gehe meinen
geraden weg fort … Der König thut nichts alß was seine zott will, haßt
auch die, so er ahm meisten liebt, sobaldt sie will. Monsieur denckt ahn
nichts alß was seiner buben bestes ist, frägt sonsten nach nichts; alle andern
seindt auch falsch, undt die knechte undt valletaille
[4] seindt schir überall herr
undt meister. Vor 8 tagen hatt er noch 100 000 francken ahn einen mitt
nahmen Contade
[5] geben, umb Rubantels
[6] compagnie zu kauffen; alle seine
schöne juwellen undt demanten werden stück nach stück verkaufft; unterdeßen
lest man mich ohne mir zu geben was ahm nohtwendigsten ist. Mein sohn
machts nicht viel beßer, alß Monsieur, gibt alles ahn sein metres; zum
neüjahr hatt er ihr diß jahr vor 1500 pistollen geben, 2 pendeloquen vor
800 pistollen undt das überige in bijoux; lest sich auch von seine
cammerdiner gouverniren undt desbauchirt so erschrecklich, daß ich fürchte, daß es
ihm endtlich das leben kosten wirdt. Monsieur widerspricht ihm in nichts,
damitt er ihm auch nichts sagen möge; Monsieur fragt auch nichts darnach,
ob er lebt oder nicht; ich aber, die in der that seinen todt förchte, predige
ihn undt werde ihm also allein unahngenehm. Monsieur flatirt mein dochter
auch undt thut sein bestes, sie gegen mich auffzuhetzen. So bring ich mein
[274]
leben zu, welches dan nicht zum ahngenehmbsten ist. Mons. le dauphin
mischt sich in nichts in der welt, steckt all sein leben bey die princes de
Conti, welche er zwar außlacht, aber doch eben so sehr von ihr gouvernirt
ist, alß der herr vatter von der Maintenon. Er ist verliebt von einer
comediantin, die lest er nach Meudon kommen undt hatt sie nachts bey sich; tags
lest er im garten arbeitten undt sicht zu; abendts ißt er umb 4, denn er ißt
nicht zu mittag, sondern frühstückt nur; umb 4 ißt er mitt alle die cavallirs,
so bey ihm seindt, ist 2 stundt ahn taffel undt seüfft sich voll. So bringt
er sein leben zu. Mad. la duchesse
[7] ißt, drinckt undt spilt landtsknecht
undt spricht von jederman übel. So ist es hir; wie ich mein leben zubringe,
wirdt mons. Offen E. L. leicht erzehlen können, denn es ist alß dasselbe undt
endert nicht. …