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Brief vom 30. Januar 1697

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


275.


[275]
Versaille den 30. Januari [1697].
… Bey jetziger zeit lest man unßern Herrngott allein bezahlen waß man vor ihn thut, glaube also, daß die princes, so die religion umbgesattelt hatt[1], wenig vom Keyßerlichen hoff wirdt zu hoffen haben … Der mad. de Maintenon miracle, so sie mir verzehlt, umb mich zu bekehren, war, daß ein stück holtz vom creütz Christi nicht gebrent hette, ob man es zwar ins licht gesteckt hette. Zu allem unglück aber sagte sie gleich drauff, daß dieße personen so impie geweßen weren undt hetten Bordelot[2] hollen laßen alß ein großer naturalist, umb die ursach zu wißen, warumb das holtz nicht brent, so hette er geantwort, das holtz were zu sehr vertruckent, denn alles was brente, müste ein öhl haben, das gar zu alte holtz aber hette kein öhl mehr in sich, könte also nicht brenen. Muß also gestehen, daß mich dieße impie raison mehr persuadirt hatt, alß das miracle, finde also bey mir selber, daß, wenn man ein miracle persuadiren will, muß man die [276] umbstanden überhüpffen, sonsten operiren sie nichts bey den kleingläubigen, wie ich bin. … Die printzen werden nun baldt wider weg, sie führen ein schändtlich leben hir, sauffen sich alle tag mitt den acteurs vom opera voll, laßen dieße canaille alle tag mitt ihnen eßen undt sauffen bruderschafft mitt ihnen undt laßen sich von dießen kerlen dutzen; dieße acteurs lachen die printzen selber drüber auß … Es ist kein wunder, daß freüllen Königsmarck ahn der Churfürstin von Saxsen hoff nicht sehr geacht ist; ist es aber der weimarischen printzessin[3] zu Quetlenburg nicht schimpflich, daß man ihr eine solche coatjoutrice gib[4]? Ich weiß nicht, wie sie drin consentirt … Ich sage E. L. demütigsten danck, daß sie die mühe genohmen haben, mons. Leibnitzs brieff vor mich abzucopiren. Ich bin fro, daß mons. Leibnitz mich nie zu sehen wirdt bekommen, denn sonsten würde er baldt die hohe opinion von mir verliehren, so er von mir gefast hatt, undt würde finden, wie in den precieussen stehet: que j’ay la forme fort enfoncé dans la matiere[5]. Es freüet mich doch, daß ein so verständiger mann, wie dießer ist, sich einbildt, daß ich lumières hab; es macht mich schir stoltz. Es ist gewiß, daß Carl Moritz[6] beßer in prose alß in vers schreibt, aber das wort serenité Electoralle lautt doll, denn es ist kein recht frantzösch, schockirt die ohren …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 30. Januar 1697 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 275–276
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0275.html
Änderungsstand:
Tintenfass