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Brief vom 10. Februar 1697

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


277.


[277]
Versaille den 10. Februari 1697.
… Mons. Leibnitz lobt meine brieffe auß politesse undt umb seine cour bey E. L. zu machen, weillen er sicht, daß sie E. L. ahngenehm sein. Wie solte ich den gutten Raison vergeßen können, der mich immer auff der guitarre spillen lernte, noch Patie, deßen sohn so offt mitt mir gespilt hatt. Zu meiner zeit hatt oncle nur 3 cammerdiner: Michel Raison undt Hans Jacob, Johan Hackens wartte auch etlichmahl in der cammer auff; der gutte Raison muß nun all alt sein, Patie war aber noch älter alß er. Hannover muß viel größer geworden sein seyder meiner zeit, denn die gräffin Platten hatt mir geschrieben, daß, wo vor dießem der Dam geweßen, nicht weit von des presidenten Bullaws[1] hauß, da stehe nun eine kirche … Mich deücht, man hette beßer gethan, durch die finger zu sehen undt die sach zu verhelen so viel möglich, alß die arme alte pfaltz-neuburgische Churfürstin mitt ihrem docktor zu todt zu plagen. Das erinert mich einer schönen historie, so man mir von Strasburg geschrieben: Der margraff von Durlach[2] ist zu [278] Baßel, seine gemahlin[3] solle auch einen schweitzer docktor lieb haben, so ein alter großbärtiger mann sein solle. Alß man dieße fürstin gewarnt, sich doch nicht so gemein mitt dem docktor zu machen, die leütte mögten sonst übel davon reden undt meinen, sie hette dießen docktor recht lieb, so solle sie geantwortet [haben]: Ja freylich habe ich ihn lieb undt werde ihn auch woll all mein leben lang lieb behalten; mein herr weiß selber woll, waß vor obligation ich dießem docktor habe, denn von meinem letzten kintbett waren mir meine 7 sachen so weitt alß ein mannshutt auffstehen geblieben, welches mir undt meinem herrn gar beschwerlich war; dießer docktor hatt mich dermaßen wider zurecht geholffen, daß ich jetzt beßer bin, alß ich noch war, wie ich jungfer war, also woll billig, daß ich dießen docktor hertzlich lieb davor habe. Vielleicht hatte die arme Churfürstin gleiche obligation ahn ihrem docktor undt ihn deßwegen geheüraht undt hatt ihn mitt der müntz bezahlt, so er geheylet hatt …
Es ist wahr, daß bißher mad. de Maintenon gar nicht glücklich im erziehen geweßen, denn alle die, so sie erzogen, da ist nichts nutz auß worden. Ich hoffe noch woll, daß E. L. undt ich erleben werden, umb zu sehen, waß aus der savoyischen princes[4] werden wirdt. Höfflich erzieht sie sie nicht, macht niemandes kein reverentz undt wenn ich sie ahnrede, so hört sie kaum zu. Die dame hatt auch das unglück daß sie noch niemandes erzogen, so sie nicht gleich außgespott hatt; daß die, so sie zu viel guts gethan, ihrer spotten, geht wie das teütsche sprichwort sagt: Untrewe schlegt seinen eygenen herrn[5] … Zu Paris spricht man von nichts alß krieg undt will den frieden nicht glauben. Ich versichere E. L., daß mein sohn ebenso viel gefahr zu Paris mitt den préteurs außstehet, wenn er nachts herumb schwermbt, alß er immer im krieg thun kan, undt hatt doch weniger ehre davon, weiß also nicht, was ich wünschen solle. Ob er zwar eine metres en chambre hatt, so vergnügt er sich nicht mitt undt rennt sonst auch noch herumb, undt da ist die gefahr bey … Die meß hatt die freüllen Orora[6] schon offt pressentirt, weillen sie ja alles feil gehalten so sie hatt, das kan man ja nicht beßer pressentiren, aber schön noch löblich kan solche pressentation nicht sein. Ich kan nicht begreiffen, daß ein größerer spaß sein kan, alß arme leütte auß noht zu retten; also wenn ich gelt habe, thue ich mein bestes hirbey: es kompt aber selten. Solten auch die gutten wercken in jenner welt nichts [279] verdinen, so hatt man doch deßen schon die belohnung in dießem leben, indem sie einem vergnügen geben undt über andere menschen setzen, denn denen man guts thun kan, über die ist man gar gewiß …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 10. Februar 1697 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 277–279
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0277.html
Änderungsstand:
Tintenfass