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Brief vom 31. März 1697

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


282.


[281]
St. Clou den 31. Mertz 1697.
Wie ich eben in die kirch fahren solte, wurde ich mitt E. L. gnädiges schreiben erfrewet. Ich hatte es hoch von nöhten, umb die lange weill desto beßer erdulten zu können, so ich in der kirchen gehabt habe, denn, unter unß gerett, zwey glockenstunden eine sprache plären zu hören, so man gar nicht verstehet, ist warlich eine gar langweillige sache … Ich bin recht fro, daß die hochzeit[1] E. L. eine kleine verenderung geben hatt undt oncle sich auch resolvirt, bey der copulation zu sein, denn das macht doch, daß oncle ein wenig distraction bekompt undt nicht allzeit ahn das krancksein gedenckt. Ich wolte, daß E. L. ein wenig lenger bey der hochzeit blieben weren undt ein wenig hetten dantzen sehen, umb die trawerige gedancken mitt den geigen zu vertreiben. Braut undt breütigam muß die nacht woll gefahlen haben, weillen [282] sie sich andern tags wider zu bett gelegt haben. Es ist ihnen zu wünschen, daß das vergnügen lang dawern möge, aber wenn es auch gleich nicht wehren solte, seindt sie doch jetzt glücklich, undt viele leben in der welt, so nie kein so volkomenes vergnügen haben …
Der große mann hatt sich nie vor seines bruders kinder interessirt, wie es woll scheindt auß dem heüraht, so er schon den sohn[2] hatt thun machen, undt ich glaube vestiglich, daß er gerne hette, daß die dochter[3] auch nichts beßers hette. E. L. werden vielleicht gedencken, daß er die zwey ersten döchter[4] doch woll versorgt hatt, aber er konte es nicht anderst machen, denn Spanien forderte die elste[5] undt dingte das in den frieden, muste sie also woll hergeben, undt die zweyte[6] gab man dem Savoyard[7], denn man meinte, ihn dadurch fest zu halten, undt zudem war keiner damahls vom bastartgeschlegt im alter, geheüraht zu werden. Ich wußte der princes Palatine[8] historie, hatte also nicht nöhtig, sie in der leichpredig zu suchen. Dieße printzes war das furchtsambste mensch von der welt, alles machte sie bang, war also kein wunder, daß sie wunderliche treüme bekame undt daß dieße treüme sie in die große devotion steckten. Alles geschahe aus ängsten, undt wie sie nicht allzeit devot geweßen war, so meinte sie mitt dießer demuht Gott undt der welt ihre bekehrung zu persuadiren. Das seindt recht hießige religions maniren undt reussirt bey den leütten. Ich aber gestehe, daß es nicht nach mein schmack ist, undt wenn alle leütte wie ich weren, ginge es gar nicht ahn. Mich deücht, daß nur die, so die forcht übernehmen kan, in solche schwachheitten fallen. Da seindt E. L. weit von. Der hintere met verlöff gibt etlichen dermaßen schwachheitten, daß alle glieder drüber leiden müßen; was aber ahm meisten drüber leyden muß, ist la moitié, wie man auff frantzösch sagt. Monsieur hatt mir eine wunderlich beschreibung von König Wilhelms siebensachen verzehlt, undt wie I. L. die sach vorbringen, ist es ohnmöglich, daß König Wilhelm mitt weiber zu thun haben kan. Wer I. L. so woll von dießer sache unterricht hatt, weiß ich nicht. So lang der römische König[9] nicht geheüraht ist, will ich noch alß hoffen, daß er meiner dochter zu theil werden kan …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 31. März 1697 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 281–282
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0282.html
Änderungsstand:
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