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Brief vom 2. Mai 1697

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


288.


[286]
Versaille den 2. May 1697.
E. L. beklage ich woll von hertzen, daß sie kein beßer zeitvertreib haben, alß meine alte brieffe zu überlesen. So lang papa s[eelig] gelebet, werden E. L. alle meine brieffe voller contentement von Monsieur sehen, denn ich wolte nicht, daß I. G. erfahren mögten, wie es recht hir war, wollte es also in keinen brieff setzen. Wie E. L. aber selber herkommen[1], habe ich E. L. nichts verhehlt. Ich habe I. G. dem Churfürsten s[eelig] alles verhehlt, weillen man mir gesagt, daß, nachdem ich weg gezogen, hetten I. G. sich dermaßen zu hertzen genohmen, daß ich so wider meinen willen auß purem gehorsam were herkommen, ob ich gleich persuadirt, daß ich nicht glücklich hir sein würde, daß es I. G. gantz geängstiget hette undt trawerig gemacht; drumb habe ich alles verhehlt so lang mir möglich geweßen; zuletzt hatt der Churfürst doch alles (weiß aber nicht durch wen) erfahren undt mich braff außgefiltzt, daß ich es nicht geschrieben hette. Alß ich aber die ursach deßwegen recht gemelt, haben sie meine entschuldigung ahngenohmen. Was den König ahnbelangt, so bin ich woll oder übel mitt ihm gestanden nach dem es seine metressen gewolt: zu der Montespan[2] zeit war ich in ungnaden, zu Ludre[3] zeit woll dran, alß die Montespan wider die oberhandt nahm, [287] gings wider übel, wie Fontange[4] kam, woll, undt seyder das jetzige weib[5] regirt, allezeit übel. Ich versichere E. L. aber, daß ich die zeit sehr nehme wie sie kompt; ich kene perfect alle die, womitt ich umbgehe, ich weiß, was ich mich von ihnen zu versehen habe; meine parthie ist also gantz gefast, suche nur meine zeit so viel mir möglich ist in ruhe hinzubringen, undt weillen ich verspürt, daß man hir keine ruhe haben kan, man lebe denn einsam, so bin ichs auch. Habe ich in meiner einsamkeit keinen großen spaß, so habe auch keine große mühe noch sorgen, die zeit wirdt mir nicht lang, kan mich amusiren. Sich chagriniren oder lustig sein, stehet nicht recht bey unß; wenn mir das miltz leicht ist, bin ich lustig, denn von natur bin ich eben nicht melancholisch, ist aber mein miltz geblähet, so kommen mir lautter trawerige gedancken; wenn ich das spüre, so thue ich starck exercitzien, so vergeht mirs wider. … Wir haben hir einen mann gehabt, so Dalancé hieße, der hatt microscopes gemacht, in welchen er mir auff ein meßerspitz waßer undt pfeffer eine gantze see voller sollen (?) hatt sehen machen, undt im eßich waren lange schlangen. Selbiger Dalancé ist nicht mehr hir im landt; er ist vielleicht jetzt in Hollandt undt macht eben solche gläßer, so er vielleicht seyderdem perfectionirt hatt, daß man noch schärpffer mitt sehen kan, alß die stern undt muscheln. Mich deücht, wir wißen zu viel, undt zu wenig, umb recht glücklich zu sein, denn man weiß genung, umb mehr wißen zu wollen, aber nicht genung, umb davon vergnügt sein zu können … Wenn ich meinem sinn folgen könte, würde ich allezeit mitt butzen keine schulden machen; es ist ein glück, wenn man jemandes so trew bey sich hatt, so das gelt außgibt undt verwahrt, wie die gutte fraw von Harling; nach der h. schriefft samblen E. L. noch ein schatz ins ewige leben, indem sie den armen geben[6][288]
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 2. Mai 1697 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 286–288
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0288.html
Änderungsstand:
Tintenfass