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Brief vom 19. Mai 1697

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


290.


[288]
Port Royal den 19. May 1697.
… Man sagt hir, König Wilhelm seye zu Loo. Der Zar von Moscovien[1] muß ein artig bürschgen sein; ich fürchte, wir werden ihn nicht hir sehen, denn, wie man mir gesagt, so werden keine moscowittische abgesante herkommen, denn die, so vor 10 oder 11 jahren hir waren, stellten so wunderliche hendel ahn, daß der König sie weg jagen ließ, glaube also nicht, daß andere widerkommen dörffen. Es ist mir leydt, denn ich hette den Zar [289] gerne gesehen. In der ambassade, so hir so übel abgeloffen, waren viel kerls, so gar gutte minen hatten undt gar woll geschaffen waren; wenn der Zar so ist, muß es ein schöner herr sein. Es were zu wünschen, daß er ein wenig mores hir lernen mögte undt die abscheüliche laster vergeßen, so in seinem landt im schwang gehen. Wenn ihm der Genever abgesante[2] gutte sitten lernt, wirdt er große ehr von seiner ambassade bekommen. Weillen dießer herr so lustig ist, hoffe ich, daß er nicht so schlim alß die andern sein wirdt, welche nichts thaten alß stehlen, sauffen, schlagen undt mitt vieh zu thun zu haben. Der Zar muß doch keine erhobene seele haben, sich so gemein mitt alle die kauffleütte zu machen. Ich mögte wünschen, daß E. L. dieße ambassadeurs mitt ihrer suitte sehen mögen. … Ein ahl muß die haut dünner haben, alß ein ander thier, weillen man mitt den microscopen die circulation vom bludt sehen kan. Es ist eine artige kunst, die man mitt dießen gläßern erfunden hatt; ich glaube, daß dießes die docktoren wirdt gelährter machen …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 19. Mai 1697 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 288–289
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0290.html
Änderungsstand:
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