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St. Clou den 18. Augusti 1697.
Ich bin recht fro, daß E. L. das vergnügen gehabt haben, den großen
Czaar zu sehen
[1] undt daß es E. L. ein wenig divertirt hatt. Es wundert
mich nicht, daß ohnahngesehen E. L. verbott viel leütte zugedrungen; dieße
curiositet ist woll zu verzeyen, undt glaube, daß es der Czaar woll selber
nicht übel nehmen kan, ob es ihn zwar importunirt. Es ist woll schadt,
daß dießer herr nicht woll erzogen ist worden. E. L. beschreiben mir sein
gemühte so gar gutt, daß ich mir leicht einbilden kan, daß man ihn lieb
bekompt, wenn man ihn kent. Weillen dießer herr noch jung ist undt gutten
willen hatt, poli zu werden, so glaube ich, daß er noch dazu gelangen wirdt.
Weillen er lustig mitt E. L. undt I. L. mein patgen
[2] geweßen, so scheindt
es woll, daß er zufrieden, denn mitt leütten, da man nicht zufrieden von ist,
kan man ohnmöglich lustig sein. Gestern mahlte mich ein mahler in
mignature, so von Geneve ist, mahlt sehr woll undt sehr gleich; er sagte mir viel
von mons. Lefort
[3]. Dießes mahlers geschwisterkindt hatt mons. Lefort sein
bruder geheüraht, seindt also alliirt. Er verzehlte, daß mons. Lefort ein
bößer bub geweßen were, so gar nichts gedeücht hette undt nichts hette lernen
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wollen; so hette sein vatter zu ihm gesagt, er wolle nichts mehr mitt ihm
zu thun haben, ihm auch kein gelt mehr geben, er möge in krieg gehen undt
sein fortun selber suchen. Darauff ging er in Hollandt, von Hollandt nach
Hamburg, von Hamburg nach Moscau, alwo er sein fortun gemacht, wie
E. L. sehen. Vor einem jahr schickte er seinen sohn nach Geneve mitt einem
Moscowitter, Tartaren undt Chinessen, welche alle drey wunderliche leütte
sein sollen. Es ist kein wunder, daß der printz von Meradie trawerig ist,
weillen man ihm sein Königreich genohmen hatt. Mich wundert, daß der
Czaar, der gutten verstandt hatt, einen abgeschmackten naren leyden kan …
Ich glaube, daß es E. L. wie ein traum vorkommen ist, sich bey dem großen
Czaar ahn taffel zu sehen; mir kompts recht wie ein roman vor. Umb den
roman perfect zu machen, müste er verliebt von I. L. der Churfürstin von
Brandenburg geworden sein. Ich hoffe, daß es E. L. ein wenig divertirt
hatt, zu tantzen. Hette ich mitt dem ambassadeur gedantzt, hette ich recht
mitt ihm figurirt, denn mitt meine lange ärmel sehe ich recht auß wie die
indianische bagotten, die gekleidt sein. Mein dicker bauch, hufften undt
hintere met verlöff, wie auch meine breitte dicke axellen undt groß undt dick
gesicht undt unterkinn gleichen den bagoden so perfect, daß ich offt selber
drüber lachen muß, wenn ich ohngefehr bey einem spiegel vorbey gehe undt
mich drinen sehe. E. L. aber, die eine schöne undt schmahle taille haben,
auch leicht sein, kan das dantzen nicht übel stehen. Es ist mir leydt, daß
E. L. nicht zu Coppenbruck
[4] geschlaffen haben undt mitt dem Czaar andern
tags gespilt. Sein dessein, die 5000 ducatten zu verspillen, ist noble undt
gallant, undt das gelt hette dinen können vor die pastorale. Es ist mir
auch leydt, daß E. L. den printz de Circassie nicht gesehen haben, umb
seines schönen nahmens willen. Wenn der Czaar seinen printzen nach Berlin
schickt, wirdt I. L. die Churfürstin waß zu zigen
[5] undt zu hoffmeisteriren
bekommen. Was will der Czaar in Hollandt thun? will er König Wilhelm
sehen, ehe er wider in Engellandt geht? Wo ist aber baron Görtz
hinkommen, nun mein gutter landtsman undt gevatter Coppestein
[6] marschalck
ist, welchem ich es von hertzen gönne, wie auch seinen schönen peltz
[7]. Vor
die polnische relation wie auch vor die reflection von mons. Leibnitz sage
ich demütigen danck; ich habe dieße reflectionen ahn mein premier ausmonier
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gewießen, so sie admirirt hatt sowoll alß ich. Ich findt dieße reflection so
ahngenehm zu leßen, alß Chevreau
[8] gantzes buch. …