Seitenbanner

Brief vom 13. August 1697

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


306.


[299]
St. Clou den 18. Augusti 1697.
Ich bin recht fro, daß E. L. das vergnügen gehabt haben, den großen Czaar zu sehen[1] undt daß es E. L. ein wenig divertirt hatt. Es wundert mich nicht, daß ohnahngesehen E. L. verbott viel leütte zugedrungen; dieße curiositet ist woll zu verzeyen, undt glaube, daß es der Czaar woll selber nicht übel nehmen kan, ob es ihn zwar importunirt. Es ist woll schadt, daß dießer herr nicht woll erzogen ist worden. E. L. beschreiben mir sein gemühte so gar gutt, daß ich mir leicht einbilden kan, daß man ihn lieb bekompt, wenn man ihn kent. Weillen dießer herr noch jung ist undt gutten willen hatt, poli zu werden, so glaube ich, daß er noch dazu gelangen wirdt. Weillen er lustig mitt E. L. undt I. L. mein patgen[2] geweßen, so scheindt es woll, daß er zufrieden, denn mitt leütten, da man nicht zufrieden von ist, kan man ohnmöglich lustig sein. Gestern mahlte mich ein mahler in mignature, so von Geneve ist, mahlt sehr woll undt sehr gleich; er sagte mir viel von mons. Lefort[3]. Dießes mahlers geschwisterkindt hatt mons. Lefort sein bruder geheüraht, seindt also alliirt. Er verzehlte, daß mons. Lefort ein bößer bub geweßen were, so gar nichts gedeücht hette undt nichts hette lernen [300] wollen; so hette sein vatter zu ihm gesagt, er wolle nichts mehr mitt ihm zu thun haben, ihm auch kein gelt mehr geben, er möge in krieg gehen undt sein fortun selber suchen. Darauff ging er in Hollandt, von Hollandt nach Hamburg, von Hamburg nach Moscau, alwo er sein fortun gemacht, wie E. L. sehen. Vor einem jahr schickte er seinen sohn nach Geneve mitt einem Moscowitter, Tartaren undt Chinessen, welche alle drey wunderliche leütte sein sollen. Es ist kein wunder, daß der printz von Meradie trawerig ist, weillen man ihm sein Königreich genohmen hatt. Mich wundert, daß der Czaar, der gutten verstandt hatt, einen abgeschmackten naren leyden kan … Ich glaube, daß es E. L. wie ein traum vorkommen ist, sich bey dem großen Czaar ahn taffel zu sehen; mir kompts recht wie ein roman vor. Umb den roman perfect zu machen, müste er verliebt von I. L. der Churfürstin von Brandenburg geworden sein. Ich hoffe, daß es E. L. ein wenig divertirt hatt, zu tantzen. Hette ich mitt dem ambassadeur gedantzt, hette ich recht mitt ihm figurirt, denn mitt meine lange ärmel sehe ich recht auß wie die indianische bagotten, die gekleidt sein. Mein dicker bauch, hufften undt hintere met verlöff, wie auch meine breitte dicke axellen undt groß undt dick gesicht undt unterkinn gleichen den bagoden so perfect, daß ich offt selber drüber lachen muß, wenn ich ohngefehr bey einem spiegel vorbey gehe undt mich drinen sehe. E. L. aber, die eine schöne undt schmahle taille haben, auch leicht sein, kan das dantzen nicht übel stehen. Es ist mir leydt, daß E. L. nicht zu Coppenbruck[4] geschlaffen haben undt mitt dem Czaar andern tags gespilt. Sein dessein, die 5000 ducatten zu verspillen, ist noble undt gallant, undt das gelt hette dinen können vor die pastorale. Es ist mir auch leydt, daß E. L. den printz de Circassie nicht gesehen haben, umb seines schönen nahmens willen. Wenn der Czaar seinen printzen nach Berlin schickt, wirdt I. L. die Churfürstin waß zu zigen[5] undt zu hoffmeisteriren bekommen. Was will der Czaar in Hollandt thun? will er König Wilhelm sehen, ehe er wider in Engellandt geht? Wo ist aber baron Görtz hinkommen, nun mein gutter landtsman undt gevatter Coppestein[6] marschalck ist, welchem ich es von hertzen gönne, wie auch seinen schönen peltz[7]. Vor die polnische relation wie auch vor die reflection von mons. Leibnitz sage ich demütigen danck; ich habe dieße reflectionen ahn mein premier ausmonier [301] gewießen, so sie admirirt hatt sowoll alß ich. Ich findt dieße reflection so ahngenehm zu leßen, alß Chevreau[8] gantzes buch. …
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 13. August 1697 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 299–301
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0306.html
Änderungsstand:
Tintenfass