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Brief vom 15. September 1697

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


310.


[304]
St. Clou den 15. Septemb. 1697.
… Ich habe diß kint, den printz de Galle[1], von grundt meiner seelen lieb; man kan ihn nicht sehen ohne ihn lieb zu haben. Er ist auch von recht gutt naturel, hatt sein fraw mutter undt auch sein herrn vatter hertzlieb, verzehlte mir, er hette ring undt knöpff ahn ein kleydt laßen machen, wo des Königs, seines herrn vatter undt der Königin, seiner fraw mutter haar in weren, das wolle er immer tragen; solche tendresse sicht man bey die frantzösche kinder gar nicht. Das printzesgen[2] hatt bey weittem nicht so viel verstandt noch vivacitet, alß sein brüdergen, ist aber gantz from wie ein lambgen[3] undt sehr zur devotion geneigt; ich glaube, es wirdt mitt der zeit ein nöngen werden, aber unßer printz de Galle, glaube ich, wirdt ein großer Konig werden, denn ob er zwar nur 9 jahr alt ist, glaube ich, daß er jetzt schon beßer regiren würde, alß sein herr vatter. … Ich muß E. L. unter unß doch klagen, welch eine boßheit der große mann undt seine zot gegen meiner dirn[4] haben. E. L. wißen, daß hir ein cammerdinner vom Wienischen hoff geweßen; er hatte sein pasport undt man ließ ihn frey hingehen wo er wolte, hatt auch viell schönne kleyder undt sachen vor die Keyßerliche princessinen undt seinen herrn gekaufft. Sobaldt aber dießer ein contrefait von meiner dochter bestelt, hatt man ihn auß sein bett enlevirt undt in ein gefäncknuß geworffen. Der envoyé von Parme hatt gleich dawider protestirt, doch nicht wehren können, daß er noch 24 stundt in dem gefängnuß blieben ist, undt sobaldt er auß dem gefängnuß, hatt man ihn gleich weggeschickt undt keine zeit geben, das contrefait zu bekommen. Da sehen E. L. die falschheit von der zott, denn sie hatt sich nie freündtlicher [305] gegen mir gestelt alß wie sie meiner dochter diß stückelgen gethan hatt. Die zott undt ihr vielgeliebter eheman seindt warlich böße, falsche undt heüchlerische leütte. Es seindt noch woll vielle bey hoff, so keine fourben undt heüchler sein, allein selbige seindt veracht undt unterdrückt undt die fourben undt heüchler seindt die högsten ahm brett. …
Es ist kein landt in der welt, wo man nicht weiß, daß die kinder den eltern allen respect schuldig seindt; der Churprintz[5] muß wenig gutte freünde haben, daß ihm niemandes raht gibt, nichts so gar ridiculle ahnzufangen. E. L. haben recht, nicht darnach zu fragen, denn alles ridiculle ist vor den Churprintzen undt nicht vor sie. Wenn er recht thäte, solte er solche böße rahtgeber abschaffen oder auffs wenigst ihnen kein gehör geben; das kan ihm kein glück bringen undt gar keine ehre geben, sich von böß naturel gegen sein fraw mutter zu erweißen, undt insonderheit eine so estimable alß E. L. sein. Ich meinte, er hette mehr verstandt alß so; es verdriest mich recht auff ihn. Ich glaube, daß König Wilhelm weder ahn mich noch ahn mein dochter denckt. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 15. September 1697 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 304–305
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0310.html
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Tintenfass