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Brief vom 24. November 1697

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


318.


[310]
Versaille den 24. November 1697.
… Es ist recht genereux von mein hertzlieb ma tante, fro zu sein, daß sich die Knißbecken[1] salvirt hatt. Gott gebe nur, daß sie vom gifft [311] geben corgirt ist undt da nicht mehr ahn denckt, so gönne ich ihre erlößung auch woll. Ich bin versichert, daß, wenn die geweßene Churprintzes erfahren wirdt, daß ihr confidentin sich salvirt hatt, wirdt es ihr ein großer trost sein, denn mich deücht, nichts ist schmertzlichers in der welt, alß andere vor sich leyden zu sehen. … Ich bin leyder unschuldiger weiß ursach, daß Carl Moritz[2] so ein hesslich aug hatt: I. G. der Churfürst s[eelig] solte eine reiße thun undt nur etliche tage auß sein; abendts vorher hatt ich wie ordinari I. G. ein brieff von I. G. meiner fraw mutter[3] zu leßen geben. Nachts fiel es papa ein, daß er mein brieff hette unter den pülffen gesteckt, wolte es der raugräffin[4] geben, umb mir es andern tags zu geben. Indem I. G. im dunckelen die handt zu geschwindt außstrecken, erdapt er ungefehr mitt der faust der raugräffin aug; hette es schir auß dem kopff gestoßen. Das aug loff auff, wurde dick undt schwartz. Morgendts ginge ich zu der raugräffin, die lag zu bett, war incomodirt; wie ich zum bett nahte, sahe ich ihr wunderlich aug, so erschrecklich zu sehen war; ich sagte, ob madam ihr aug gesehen hette? sie sagte: nein, aber es thet ihr wehe. Ich nahm ein spigel undt wieß es ihr, ohne zu gedencken, daß es waß auff sich haben mögte. Sie erschrack, that gleich die handt auffs aug. Wie Carl Moritz zur welt kam, brachte er eben das schwartze undt geschwolene aug daher. Ich thate selbig mahl der raugräffin einen gutten dinst, mich dießer histori zu erinern, denn papa hatte sich im kopff gesteckt, das aug vom Carl Moritz were so wunderlich, weillen die raugräffin mons. de Webenheims pflaster auffm aug zu offt betracht hette, machte sich hirauff gar wunderliche einbildungen, ließ mich ruffen, wie das kindt zur welt kam, undt sagte zu mir: Lisselotte, woher meint ihr woll, daß diß aug kompt? habt ihr nicht in acht genohmen, daß madame den obersten Webenheim[5] zu viel hatt ahngesehen? [312] Ich sagte, wenn das were, so were der platz ja gantz schwartz, aber das aug nicht kleiner undt niederiger alß das andere; glaube vielmehr, daß es von dem stoß kompt, so E. G der frau raugräffin ins aug gethan, wie sie nach Alzey verreist sein, denn andern tags sahe ich die raugräffin, da sahe ihr aug eben so auß wie dießes. Da wurden I. G. der Churfürst wider lustig, undt wie ich allein bey der raugräffin war, danckte sie mir sehr, sagte, ich hette sie auß ein groß unglück salvirt, denn I. G. der Churfürst hette schon abscheülich auff sie wegen das schwartze aug gekipelt[6]. Diß ist aber eine gar alte historie; muß woll alte verzehlen, weillen wir keine neüe haben. Wie mir E. L. Carl Moritz beschreiben, fürchte ich, daß er ein wenig pedantisch ist. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 24. November 1697 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 310–312
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0318.html
Änderungsstand:
Tintenfass