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Versaille den 2. Februari 1698.
… Ich glaube gar gewiß, daß mein sohn mitt dem dollen leben,
das er führt, gantze nächte zu raßen undt erst umb 8 morgendts schlaffen
zu gehen, nicht lang wirdt leben können. Er sicht offt auß, alß wenn man
ihn auß dem grab gezogen hette; man bringt ihn gar gewiß umbs leben
undt sein herr vatter will nichts dargegen sagen. Aber weillen was ich auch
hirvon sagen mag zu nichts nicht hilfft, so will ich nur davon still schweygen,
muß nur das noch sagen, daß es warhafftig schadt ist, daß man mein sohn
so in das luderleben steckt, denn wenn man ihn ahn etwaß beßeres undt
rechtschaffners gewehnt hette, würde er gantz ein anderer mensch geworden
sein. Er fehlt nicht von verstandt, ist nicht ignorant undt hatte von jugendt
auff alle inclination von was gutt undt löblich war undt seinem standt zukompt
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allein seyder er sein eygen herr undt meister geworden undt sich nichtswürdige
kerls ahn ihn gehengt haben undt ihn mitt so gar gemeinen huren met verlöff
haben umbgehen machen, ist er dermaßen geendert, daß man ihn nicht mehr
kent sowoll von gesicht alß von humor, undt bey so ein leben nimbt er nicht
mehr lust in nichts; die lust zur musiq, so eine passion war, ist auch nicht
mehr vorhanden, summa: man hatt ihn gantz unleydtlich gemacht, undt fürchte
sehr, daß er endtlich gar das leben drüber verlieren wirdt. …