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Brief vom 16. März 1698

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


336.


[326]
Versaille den 16. Mertz 1698.
… Ich sehe leyder nur gar zu woll, daß E. L. betrübmuß ärger alß nie ist. Das disputirte ich letztmahl mitt mons. Spanheim; er war verwundert, daß E. L. schmertzen noch so mächtig seye, undt sagte, er hette gemeint, [327] daß, weillen oncle so wohl geschehen were, auß seinem ellenden leben zu kommen, daß dießes E. L. eher würde erhollet haben; ich sagte aber, daß dießes woll gutt vor oncle were, allein E. L. Dero verlust nicht ersetzte undt daß die zeit allein einen solchen schmertzen lindern könte. Er sagte, E. L. raison were so starck, solte meister werden; ich hergegen andtwortete, daß die raison die entpfindtlichkeit des hertzen mehr gebe alß nehme; sehe leyder, daß ich nur gar zu groß recht habe. … Gott gebe, daß mein dochter kein mangel haben möge; die sach ist aber nicht recht sicher, denn, wie ich höre, so ist es gar ellendt bestellt, doch ist mir dieße armuht lieber alß anderer reichthum. Man macht mir hoffen, daß man meiner dochter cammerweiber nicht bey sie laßen wirdt, sondern ihr lautter Lotheringerin geben. Wenn das ist, werden sie der schmahlen bißger schon gewont sein … E. L. können ohnmöglich glauben, wie hart der König gegen den armen hertzog von Lotheringen ist; er will nicht das geringste vor ihn thun. Er wolte es vor eine große gnade rechnen, wenn der König nur die bloße mauern zu Nancy ließe; der König hatte ahnfangs hoffen laßen, daß er es thun würde, hernach aber auff einen stutz geendert, weillen er vernohmen, daß dießes dem armen hertzogen gelt ersparen würde. Er thut seinen möglichen fleiß, dießen hertzog gantz in den bettelstandt zu setzen. Ich glaube, daß er es auß puren neydt thut, umb sich ahn mein tochter zu rechen, weillen sie seinen reichen bastard[1] nicht gewolt hat. Der König wirdt alle tag härter undt grittlicher. Das alte weib[2] macht ihn so, denn sie giebt ihm gegen jederman argwohn; alles was geschicht, geht durch ihre händen, man sicht nichts alß lautter ungerechtigkeit; das weib nimbt von jederman geschenck undt gelt, alle menschen seindt schir desgoutirt. Mons. le dauphin steckt immer bey der printzes de Conti[3] undt mischt sich in nichts in der welt; das weiß man dießer printzessin so großen danck, daß man sie gantz gewehren lest. Sie ist greülich desbouchirt; es seindt wenig bey hoff, so sich nicht rühmen können, ihr bonne grace gehabt zu haben; man thut aber alß wenn mans nicht wüste, weill man sie nicht erzürnen will. Der König lest sich gantz von dem alten weib undt dem kint, die duchesse de Bourgogne[4] regiren; da werden sie waß wunderliches auß ziehen, sie leüfft allein im schloß herumb undt man admirirt alles was sie thut. Monsieur ist mehr auff die buben verpicht, alß nie, nimbt laqueyen auß den antichambren; alles was er in der welt hatt, verthut er auff dieße weiße, er wirdt seine kinder zu pure bettlers machen; er denckt in der welt ahn nichts alß was auff dießes leben ahngesehen ist. Mir ist er immer zuwider in alles, scheüt mich immer; er lest sich gantz undt gar von den liederlichen bursch regiren; alles in sein undt mein hauß wirdt zu deren bursch [328] profit verkaufft. Es ist eine rechte schande, wie es zugeht. Meinen sohn haben die favoritten von Monsieur gantz eingenohmen, er liebt die weiber undt sie seindt seine couplers, schmarotzen, freßen undt sauffen mitt ihm undt stecken ihn in ein solch luderleben, daß er nicht wider herauß kan kommen, undt weillen er weiß, daß ich sein leben nicht aprobire, so scheüt er mich undt hatt mich gantz undt gar nicht lieb; Monsieur ist fro, daß er seine favoritten lieb hatt undt mich nicht, leydt also alles von mein sohn. Meines sohns gemahlin[5] hatt ihren mann nicht lieb; wenn er nur von ihr ist, ist sie schon zufrieden, accordiren sich also hirin gar woll, sie denckt nur ahn ihrer brüder undt schwester grandeur. So geht es hir zu; da können E. L. gedencken, was ein ahngenehm leben man führt … Die minister hir seindt auch wunderliche leütte: Pompone[6] radottirt, Barbessieux[7] seüfft sich voll undt doll undt denckt ahn nichts alß desbauchiren, Torcy[8] ist jaloux von seinen schwigervatter[9], wenn der ja sagt, sagt er nein, mons. de Pontchartrin[10] ist gar ein gutt ehrlich mängen, der feinste undt beste von alle minister; Barbessieux ist verliebt von der großen princes de Conti, man sagt, sie leyde ihn mehr auß geitz, in hoffnung, daß er ihr viel geben solle, alß auß lieb. Das alte weib[11] hatt alle junge leütte zu espionen, man kan schir kein wort sagen, das nicht wider gesagt wirdt. Die mescontenten despiquiren sich in vers undt lieder machen … E. L. können nicht glauben, wie männer undt weiber hir desbauchirt sein, männer gegen männer, weiber undt weiber, es ist etwaß abscheülichs die historien, so man continuirlich hört. Außer mein sohn undt noch 3 oder 4 andere sonsten ist kein eintziger, so nicht mitt dießen laster behafft ist, verkauffen sich alle umb gelt; das parterre vom opera ist wie ein pferdtsmarckt, da wehlen sie wen sie wollen; man findt allerhandt preiß, die wohlfeilsten seindt ein thaller undt die thewersten hundert pistollen. Da sehen E. L., waß vor ein schön undt sauber leben hir geführt wirdt; man begreifft keinen spaß in der welt alß wüstereyen undt bassette[12] undt landtsknecht spiellen. Wenn sie all ihr gelt verspilt haben, suchen sie es dan auff was weiß sie es wider bekommen mögen, undt nichts ist ihnen zu viel. Gantz Paris ist greülich scandalisirt. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 16. März 1698 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 326–328
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0336.html
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