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Brief vom 4. Mai 1698

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


340.


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Versaille den 4. May 1698.
Ich bilde mir ein, E. L. singen in dießem augenblick Christus ist erstanden von der marter aller, daß wir sollen fröllig sein, Gott loben undt ihme danckbar sein, undt singen halleluja, halleluja[1], denn wo mir recht ist, so ist es jetzt Ostertag bey E. L. … Das geschicht manchen hir, daß die devotion ihnen den hirnkasten verthrehet, man sicht aber woll, daß die herrn pfaffen nur ihr divertissement mitt der religion haben undt alles vor histörger halten, weillen sie es so verzehlen. Wenn ein mensch des andern teüffel ist, kan man woll sagen, daß die pfaffen die ärgsten teüffel sein. Vor dießem sagte man im sprichwort: Wo der teüffel nicht hinkommen [kan], da schickt er ein alt weib[2], hir in Franckreich aber könte man sagen: Wo das alt weib[3] nicht hin kan, da schickt sie pfaffen, denn man hatt mich versichert, daß in jede paroisse zu Paris pfaffen von dem alten weib hingesetzt sein, umb ihr alles ahnzutragen was in gantz Paris vorgeht; etlich paroissen haben sich dagegen gesetzt undt haben die spionen nicht ahnnehmen wollen. Der König ist ärger alß nie gegen die reformirten verpicht; so lang das alte weib regiren wirdt, kan es nicht anderst sein, denn das ist der eintzige weg, wodurch sie den zelle[4] von ihrer hohen devotion erweist. Hetten die reformirten eine gutte resolution gefast undt weren kommen undt hetten dem weib ein par millionen offrirt, ihr dabey bang gemacht, daß es ihr übel gehen mögte, wo sie nicht vor sie were, so bin ich persuadirt, daß man sie alle in ruhen würde gelaßen haben, denn das weib ist forchtsam. Ich glaube nicht, daß der pfarherr vom mylord Portlandt durch den gutten wandel undt leben, so er zu Paris sicht, wirdt bekehret werden. Wenn ich allemahl die stirn runtzeln wolte, wenn ich hir sehe was mir nicht gefelt, so würde ich fingersdicke runtzelen jetzt haben; was das lachen betrifft, so muß es noch ein rest von dem lachen von meiner jugendt sein, denn nun lach ich selten … Wie mons. Schulenburg[5] mir von der printzes von Allen[6] gesprochen, so ist es gar gewiß, daß er nicht glaubt, daß dieße historie vom wolffenbüttelschen hoff kompt. Das seindt aber doch woll ohnnöhtige geschwetz, denn nimbt der Churfürst von Braunsweig[7] seine geweßene gemahlin nicht wider, so bestehen die ja mitt lügen, so es außbreitten. Ihrer fraw mutter, ich will sagen: dießer printzes fraw mutter[8] ist es woll zu verzeyen, ihre tochter lieb zu haben, aber sie hette sie beßer erziehen sollen … [331] Man muß erst 90 jahr alt sein, umb der kinder spot zu werden, nach dem sprichwort: 10 jahr ein kint, 20 jahr ein jüngling, 30 jahr ein mann, 40 jahr woll gethan, 50 jahr stille stahn, 60 jahr fengts alter ahn, 70 jahr ein greiß, 80 jahr nimmer weiß, 90 jahr der kinder spott, 100 jahr genade dir Gott[9]; aber E. L., glaube ich, ob sie zwar 90 undt 100 jahr hetten, würden doch nie radottiren können, E. L. verstandt ist gar zu net dazu, haben also nicht zu fürchten, daß man ihr leben über sie lachen wirdt …
E. L. werden woll von einer fameusse courtisane hir gehört haben, so man vor dißem Ninon hieße, jetzt heist man sie madlle de Lenclos[10]. Sie soll gar viel verstandt haben, alle vieux seigneurs de la cour seindt immer bey ihr wegen ihrer ahngenehmen conversation. Der marechal d’Estré[11] war einmahl bey ihr undt er hatt eine gewohnheit ahn sich, daß er zu allem wort chose sagt. Er verzehlte eine große gefahr, so er bey einem abscheülichen sturm auff der see ausgestanden hatte, da er meinte zu grundt zu gehen. Ninon fragte ihn: mais que faisiés vous pendant cette grande tempeste? Der marechal wolte sagen: Je pris mon parthie, ahnstatt parthie sagte er: Je pris mon chose. Ninon andtwortete: Hélas, je ne savois pas que cela fut bon sur mer; je connoissois tout ces usages hors celuy là. Das hatt sich in ein sprichwort jetzt gethrehet undt man sagt: Il prend son parthie comme le marechal d’Estres. …
Es ist zu bewundern, wie mein dochter schon so gewont ist, braut zu sein; sie raisonirt von alles was sie zu Nansi[12] will machen laßen, alß wenn sie all ihr leben geheüraht were geweßen. Hirahn sehen E. L., daß meiner kinder humor gar nicht wie der meine ist, denn wie E. L. wißen, so ist der heylige ehestandt mir nie so ahngenehm vorkommen, daß ich mich deßen eine große freüde gemacht hette; Gott gebe, daß ihr dieße freüde nicht möge versaltzen werden. E. L. haben groß recht, mad. de Maintenon meritirt mitt recht den nahmen von Pantecrate[13], denn sie ist woll die allmächtige hir im landt. Mein leben werde ich nicht glauben, daß ihr heüraht[14] wirdt declarirt werden, ich sehe es dan mitt meinen augen; sie dörffens nicht thun, wenn sie es schon gerne wolten; die Pariser seindt gar zu sehr dagegen; das weib were ihres lebens nicht mehr sicher, wenn das geschehen solte. Wie wir vergangen jahr zu Fontainebleau waren, hatt man au Pont neuff [332] gantze plancaten dagegen ahngeschlagen undt gedrawet, das hatt auch gleich alles geschrey von dießer declaration schweygen machen. … Daß E. L. jetzt vor Dero eygen hauß[15] zu sorgen haben, wirdt E. L. zur occupation dinnen; die gutte fraw von Harling verstehet alles gar woll undt wirdt E. L. hauß gar woll einrichten. Wolte Gott, wir könten so glücklich werden, E. L. hir auffzuwarten, das ist woll das eintzige in der welt, so mich noch recht erfrewen könte; ich darff es aber leyder nicht hoffen. Graff Platen[16] ist wider hir, ich habe ihn mitt mons. Mincwitz[17] ambrassiren machen. Ich will aber ahn seinen vatter[18] schreiben, ihn wider nach hauß zu beruffen, denn er ist gar zu wunderlich undt craquellisch; bleibt er lenger hir, wirdt ihm gar gewiß ein unglück begegnen, denn die gesetz hir seindt zu rigoureux von dergleichen sachen. Ich beklage seine fraw[19], denn es nur gar zu wahr, daß dießer junge mensch gar zu einen dollen kopff hatt; ich wolte, daß er schon hir weg were. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 4. Mai 1698 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 330–332
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0340.html
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