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Brief vom 18. Mai 1698

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


342.


[333]
St. Clou den 18. May 1698.
Ich bin so fro, daß mein histörgen von Ninon[1] E. L. ein wenig divertirt hatt: sie mag leben wie sie will, man wirdt ihr woll nie nichts sagen, denn sie ist eine von den besten freündinen von der Pancrate[2], welche sie seyder langen jahren gekent, undt dieße freündtschafft hatte sich au Marais ahngesponnen. Seyder madlle Lenclos alt ist, lebt sie gar woll; sie soll sagen, sie würde sich nie von ihrem leben corigirt haben, wenn sie sich selber die sach nicht in ridiculle getrehet hette. Ich wuste nicht, daß Carllutz[3] sie gekant hatte. Mein sohn ist gar ihr gutter freündt, sie hatt ihn sehr lieb; ich wolte, daß er sie öffter besuchte undt mehr mitt ihr umbginge, alß mitt seinen gutten freünden, sie würde ihm beßere undt noblere sentimenten geben, alß die, so ihm seine gutten freünde inspiriren, denn das soll sie auff ein endt verstehen, undt wenn ihre gutten freünde sie loben, sagen sie immer: il n’y a point de plus honnest homme que madlle Lenclos; sie soll auch gar modest in ihren maniren undt reden sein, welches mein sohn gar nicht ist. … Bey hoff hört man kein wort von den reformirten sprechen: hette man dieße verfolgen gethan, wie ich vor 26 jahren noch zu Heydelberg war, hetten mich E. L. woll nie persuadiren können, catholisch zu werden. Alles übel geschicht, weillen man hir nie raisonirt, sondern alles glaubt was münche undt böße alte weiber sagen, auch gar ignorant in alles ist; das bekompt mangen ehrlichen menschen übel hir. … Die lutherische lieder haben in meinem sin[4] artlichere melodeyen, alß die psalmen vom Lobwaßer[5], drumb behalte ich dieße mehr alß die andern undt singe sie etlichmahl, wenn ich allein bin … Wie ich sehe auß waß E. L. von der printces von Allen[6] belieben zu sagen, so wirdt sie nicht so viel mitt ihrer heücheley außrichten, alß man hir im lande thut. Ich höre gern, wenn E. L. frembde bey sich haben, denn das kan E. L. doch noch ein wenig verenderung geben, insonderheit wenn es leütte sein, so verstandt haben. … Die Pantecratte[7][8] fürcht die Parisser so sehr, daß sie nicht in ihr eygene kutzsch durch Paris darff fahren; [334] wir begegneten sie gestern, es waren leibguardt verkleydt umb ihr kutzsch, so des Königs seine war; wenn die weiber von der halle sie ertappen könten, würde sie in stücken gerißen werden, so verhast ist sie …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 18. Mai 1698 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 333–334
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0342.html
Änderungsstand:
Tintenfass