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Brief vom 28. Mai 1698

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


343.


[334]
Port Royal den 28. May 1698.
… Ich glaube undt hoffe, daß I. L. die Churfürstin von Brandenburg nun baldt bey E. L. sein wirdt. Sie wirdt E. L. zwey gar unterschiedtliche personnagen mittbringen, alß den raugraffen[1] undt mons. Helmont[2]. Ich habe keine andere andtwort vom König über der raugräfflichen freüllen pretention bekommen alß: Je verrés; mons. Spanheim[3] hatt mir noch nicht gesagt, was man ihm geandtwortet hatt … Wenn der junge Buche[4] hir wirdt sein, wirdt er baldt erfahren, wie es die mode hir ist, denn hübsche junge cavalier stehen hir mehr gefahr auß alß hübsche damens, werden mehr verfolgt. Ich glaube, man helt mich hir vor Don Guichot[5] undt meint, daß ich mich aller witwen, weißen, gefangenen undt bedrenckten ahnnehmen muß, denn täglich findt ich leütte, so mir gantz unbekandt sein, so wollen, daß ich ihnen helffen solle. … Ich habe gar nicht neües erfahren, doch eine schöne historie hatt mein sohn verzehlt, so er vom marechal de Catinat[6] gehört hatt. Ein closter war im werenden krieg geblündert worden; der marechal de Catinat ging selber hin, das unheil zu steweren. Er sahe auff einmahl den pfaffen vom closter daher reitten mitt einem großen mantel, der hatte eine gantz nackende none[7] vor sich zu pferdt. Wie er den marschalck sahe, wolte [er] seinen mantel zurückwerffen, umb den hut abziehen zu können; wie er den mantel auffschlug, sahe man ihn gantz nackendt zu pferdt sitzen, undt hilt die non[8] so vor sich; hinter ihnen her kam die abtißin; der marechal fragte sie, ob sie were violirt worden? Da machte sie eine schöne reverentz undt sagte: ouy, monsieur, 30 fois. Hinter der kam eine hinckende none, die rieff im hincken, ohne daß man sie fragte: et moy 3, monsieur, et moy 3, et moy 3. … Eine historie will ich E. L. noch verzehlen, so mir fraw von Rathsamshausen[9] gestern abendts verzehlt, wie ich mich außgezogen. Ein general vom Keyßer reißete mitt seiner gemahlin undt hatten einen jessuwitter bey sich, so ihr beichtsvatter war. Die kutzsch kam in einen bößen weg, fiel über undt über so erschrecklich, daß der fraw generallin der rock über den kopff fuhr. Der gutte patter fiel auff die dame, wuste aber nicht, wo er hinfielle, so erschrocken war er; er streckte die handt auß, ertapte die dame, ich darff nicht sagen, wo, wolte sich dort halten; die dame fing abscheülich ahn zu schreyen; herr patter, wie thut er mir so wehe! Er sahe zu, zog die handt erbarlich weg undt sagte: Ich bitte E. G. [335] umb verzeyung, ich meinte, es weren die frangen von der kutzsche, da wolte ich mich ahn halten. Offendtlich soll König Wilhelm kein scandal geben, was er von sein favorit undt die marquise de Richelieu[10] sicht, aber in geheim in seinem cabinet soll er alles zu sehen; er ist nicht der eintzige, so solch spectacle liebt …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 28. Mai 1698 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 334–335
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0343.html
Änderungsstand:
Tintenfass