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Brief vom 21. Dezember 1698

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


364.


[350]
Versaille den 21. December 1698.
… Man spilt le Tartuffe[1] desto gehertzter, indem niemandes pretendirt, ein Tartuffe zu sein. Ich glaube aber, daß wenn jemandes jetzt [351] dergleichen commedien machen solte, würde es nicht gutt geheyßen werden, indem man alßdan glauben würde, daß man etlich originals abgecopirt hette, so jetziger zeit hoch ahm brett sein. In religionsachen ist unßer großer König blutsignorant undt vertrawet sich auff was die, so er lieb hatt, ihm davon vorschwetzen, undt weillen ihr interesse ist, ihn allezeit in förchten zu halten, damitt er keine weittere erklärung sucht, so müßen sie ihm die höll ahm heißesten machen undt [ihn] von denen abziehen, so ihm die warheit sagen könten. Zudem so ist es leichter, ein par gebetter auff lateinisch daher zu paplen[2], alß recht undt gerechtigkeit zu üben undt unßerm negsten nichts zu thun, alß was wir wolten, daß unß geschehe; welches die rechte religion ist. Die arme leütte, so geplaget werden, jammern mich woll von hertzens grundt. Wenn man die menschen plaget, werden sie opiniatre undt meinen selber offt, sie theten auß gottsfurcht, was sie auß purer opiniatritet thun. Es scheindt woll, daß ich nichts guts bey der sachen thun kan, weillen kein guttes geschicht, undt wenn der König mir glauben wolte, würde man jederman in ruhen glauben laßen, was er will, hergegen aber die boßheitten, falschheitten undt abscheüliche desbauchen abzuschaffen suchen, so hundertmahl ärger seindt undt mehr schaden thun, alß opinionen. Aber es ist ohnnöhtig, daß ich davon rede, weillen nichts bey mir stehet. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 21. Dezember 1698 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 350–351
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0364.html
Änderungsstand:
Tintenfass