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Brief vom 15. Februar 1699

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


372.


[358]
Versaille den 15. Februari 1699.
… Ich kan die cruauteten nicht begreiffen; wenn man die haben muß, umb devot zu sein, wie mad. de Maintenon, so gestehe ich gantz blat herauß, daß ich nie devot sein kan, noch will, undt ich bilde mir ein, daß ich Gott dem herrn mehr gefahle, wenn ich alle tag in die commedie undt opera gehe, aber im übrigen mittleyden mitt meinen nebenchristen habe undt den nicht suche vor leydt sterben zu machen, alß wenn ich 6 stundt des tags in der kirche seße undt auff nichts bedacht were, alß jederman zu betrüben undt die seelen zu tirannisiren undt die leütte vor betrübtnuß sterben zu machen; das kompt mir abscheülich vor. … Die dieb undt mörder verdienen woll, daß man sie hinricht. Wenn sie nur gestollen hetten undt so artige einfäll darbey gehabt wie der baron von der Mosel[1], so hette man sie woll können lauffen laßen, aber in den kirchen arme weißen zu bestehlen undt dabey zu morden, das war zu grob. … Auff der jagt sagte mir der König in Engellandt, der papst hette ein jubillée undt processionen verortnet, umb vor die verfolgten catholischen in Engellandt zu bitten. Ich antwortete, daß ich glaube, daß, wenn der papst den catholischen Königen undt fürsten befehl ertheilte, sich mitt den lutherischen undt reformirten Königen undt fürsten zu vergleichen, niemandes wegen der religion zu plagen noch zu verfolgen, sondern freyheit zu laßen, würde es Gott viel ahngenehmer sein, alß hundert processionen, so zu nichts dienen können, da hingegen was ich proponire zu der einigkeit der gantzen christenheit würde dienen können. Der König in Engellandt sagte, ich hette recht … Die gräffin Platten muß doch recht kranck sein, weillen sie so hertzensängste hatt. Sie thut woll, die zu suchen, so sie meint bey E. L. in gnaden sein, denn sie müste ja den verstandt gantz undt gar verlohren haben, wenn sie nicht ihr bestes thete, E. L. das vergangene vergeßen zu machen, deßen sie sich vielleicht gerewet, denn es geschicht offt, daß die rewe nach der sünde kompt. Daß sie übel außsicht, ist kein wunder: leütte, so gewondt sein, rodt undt weiß zu tragen, wenn sie es abthun, sehen [sie] auß wie der todt. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 15. Februar 1699 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 358
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0372.html
Änderungsstand:
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