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Brief vom 1. März 1699

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


373.


[358]
Versaille den 1. Mertz 1699.
… Es ist hir eine neüe manir erdacht, almosen zu geben. Alle die, so ins opera undt in die commedie gehen, haben eine taxe vor die armen; welches die commedianten sehr betrübt, denn sie verliehren dran. Aber ich habe sie getröst undt gesagt, daß, nun die commedie ein almoßen [359] undt guttes werck geworden, zweyffle ich nicht, daß alle bischoff, abt undt alle devotten ’nein gehen werden; also werden sie nichts hiran verliehren, sondern vielmehr an dießer taxe gewinnen. … Im lutherischen liedt stehet, deücht mich, all fedt undt nicht alle freüdt hatt nun ein ende; das stehet in dem liedt: Allein Gott in der höhe seye ehr … König Jacob ist persuadirt, daß alles in Engellandt decidirt seye, undt daß König Wilhelm sein armée abgeschafft hatt, undt das gibt dem gutten König große hoffnung undt macht ihn gantz lustig. Er ist in dem fall glücklich, ob ich zwar persuadirt bin, daß seine hoffnung gar umbsonst … Was die amants ahnbelangt, so ihre maistressen übel tractiren, so kan man sagen wie in Polieute[1] stehet: Ils sont rois à leur tour; die galanten damen haben gern, wenn ihre amants jalous von ihnen sein, halten das vor eine marque von großer passion. Solche passion aber, die die leütte plagen undt übel tracktiren macht, könte mir, wenn ich in ihrem platz were, nicht gefahlen. Die dame von Allen[2] muß greülich verliebt in dem Königsmarck geweßen sein, ihn unahngesehen seiner bößen tractementen lieb behalten zu haben, denn das könte einen ja seinen eygenen mann haßen machen, will geschweygen denn einen frembten, den man doch auß schuldigkeit woll auffhören kan zu lieben; daß sie aber ihrem herr vatter undt fraw mutter weiß gemacht, daß ihr herr sie übel tractirte, war woll eine verzweyffelte boßheit, welche allein fehig genung ist, I. L. dem Churfürsten zu wehren, sie wider zu sich zu nehmen; ob es zwar sehr raisonabel ist, daß sie Königsmarck vergist undt daß sie jetzt sucht sich wieder mitt ihrem herrn zu vergleichen undt alle schuldigste sumissionen thut, so muß doch ein wenig unbeständigkeit bey ihr sein, den vergeßen zu können, so sie unerhört geliebet undt welcher doch vor sie gestorben ist …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 1. März 1699 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 358–359
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0373.html
Änderungsstand:
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