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Brief vom 25. Juni 1699

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


382.


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St. Clou den 25. Juni 1699, umb 1 uhr nachmittags.
Wir kommen in dießem augenblick von der langweilligsten devotion, so man erdencken mag: seindt in kleinen schritten 2 stundt lang auff dem heyßen pflaster in procession spatzirt undt alle virtel stundt hatt man ein ander virtelstundt gekniet, welches mir bitter wehe thut, denn ich habe mir das knie blaw gefahlen, indem ich auff die knöpffe vom reitrock gefahlen bin: wolte taußendt mahl lieber meine morgendtsstunden ahngewendt haben, E. L. mitt schreiben auffzuwarten, alß dießen trawerigen gang zu thun. In der hitze ist es ohnmöglich, die predig ohne schlaffen zu hören. E. L. haben nicht allein ihre devotion verricht, sondern auch rechte gutte wercke nach dem evangellion dabey gethan, nehmblich krancke zu besuchen undt denen guts zu thun, so E. L. übels gethan … Ich versichere E. L., daß, wenn Dero schreiben in truck kommen könten, würde es geschwindt auffgekaufft werden, denn nichts ist beßer, artiger noch mitt mehr verstandt geschrieben … Graff Caunitz ist ein rechter gutter mensch, bin fro, daß er mitt mir zufrieden ist. Wie kompts aber, daß er zu Hannover ist, denn er ist doch kammerherr beym römischen König? worumb bleibt er denn nicht zu Wien? Er wirdt mitt E. L. freüllen braff die contredance dantzen können; er weiß sie alle. E. L. werden ihn ohne scandale bey die freüllen laßen können, denn seine kleine taille undt trübe äugelger werden woll niemandes verführen. Lebenshuck[1] seine microscope müßen curieux sein. Der König David muß schon gewust haben, daß die menschen von würmern kommen, weillen er im 22. psalm sagt: Ich aber bin ein wurm undt kein mensch[2]; muß also woll gewust haben, daß er ein wurm ist geweßen … Made de Mecklenbourg[3] hatt mir offt von dem Bernstorf[4] gesprochen, solle viel verstandt haben. Ich habe einen Bernsdorf vor dießem zu Heydelberg gekandt; ich glaube aber nicht, daß es dießer ist. Mich deücht, daß überall, wo räht sein, da ist auch interesse; des graff Plattens exempel wirdt den Bernstorf klug machen. Die posten seindt gutte chargen, tragen [370] viel ein[5]; man hatt es woll ahn mons. de Louvoy gesehen. Die verenderung vom standt ist, glaube ich, was die gräffin Platten ahm meisten quelt, aber das hette sie woll vorher betrachten sollen, denn es konte nicht fehlen. Nun die sprach wider ahnfengt zu kommen, wirdt sie woll wider beßer werden. Ich wuste nicht, daß sie jungfer bey der gräffin von Lüllenburg[6] geweßen; wie ist sie aber hernach zu E. L. kommen? Ich halte, daß alles verhencknuß in dießer weldt ist undt daß, weillen es der gräffin Platten sort war, viel zu leyden, hatt sie ihren ersten standt vergeßen müßen. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 25. Juni 1699 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 369–370
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0382.html
Änderungsstand:
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