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Brief vom 1. November 1699

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


395.


[381]
Paris den 1. November 1699.
… Weillen ich noch so rodt bin, ob es zwar schon 6 jahr ist, daß ich die blattern gehabt habe, so werde ich woll mein leben so bleiben; bins gantz getröst, denn es incommodirt mich in nichts. Ich piquire mich von keiner schönheit nicht, undt wenn ichs geweßen were (so woll alß ichs nicht geweßen bin), müste ich doch in dießem alter, wo ich nun bin, endern; also nichts dran gelegen, ob ich bleich oder roht bin, will auch lieber eine heßliche haut haben undt in die lufft gehen, alß weißer sein undt langeweill in der cammer haben oder durch ein masquen mich incommodiren. Louisse[1] sagt, Carl Moritz hette das sauffen zu Wolffenbüttel[2] gelernt, wo er studirt hatt, denn man dortten alle morgen den schüllern ein großen becher wein bringe. Sie glaubt aber, daß, wenn I. L. die Churfürstin von Brandenburg ihm [382] ernstlich das sauffen verbietten solten undt ihn nicht zu sich laßen wolten, wenn er gesoffen hette, so würde es ihn corrigiren; das craquellen kompt auch vom sauffen. … Freilich tractirt die Königin in Engellandt die Maintenon nicht wie eine Königin, sie will auch selber nicht, daß man sie dem rang nach so tractiren soll, aber sie will, daß man dießelbe consideration undt noch mehr vor sie haben soll, alß wenn sie Königin were, daß man sie über alles consultiren soll undt nichts ohne ihren raht undt ordre thun. Undt das ist meines thuns nicht; wenn sie fortgefahren hette, wie gantz im ahnfang, zu leyden, daß ich ihr commission gebe, dem König zu sagen was ich selbst nicht sagen konte, so würde ich vielleicht woll die schwachheit gehabt haben, ihr alles zu vertrawen undt ihren raht zu folgen. Wie kan sie es mir nun aber zumuhten, da sie mir durch den König offendtlich vor aller welt hatte verbiedten laßen in der Königin kammer, ihr mein leben keine commission ahn den König zu geben. Ich habe des Königs ordre gefolgt; da ist ja nichts gegen zu sagen; hette der König seyderdem befohlen, daß ich mich wider bey sie ahnmelden solte, hette ich gethan, allein mich deücht, sie solte mir nicht übel wollen, des Königs befehl zu volziehen. Mich deücht, ein fürst könte woll geistlich sein undt dabey nicht wie ein wildt mensch; insonderheit wenn er ein souverain sein solle, hatt er mehr von nöhten, die welt zu kennen, alß wie ein einsiedler zu sein, finde also, daß man groß unrecht gehabt hatt, den bischof von Osnabruck[3] so übel zu erziehen. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 1. November 1699 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 381–382
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0395.html
Änderungsstand:
Tintenfass