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Brief vom 24. Januar 1700

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


403.


[389]
Versaille den 24. Januari 1700.
… Wir haben eine nagelneue tragedie gesehen: la reconnoissance de Thesée[1], die ist eine von den besten neüen, so wir gesehen; der 5. actus ist recht touchant. Mad. de Maintenon hatt so wenig scheü, zu weißen, daß sie mich hast, daß sie einmahl offendtlich zu einer damen sagte: Je ne vous connois aucun deffaut si non d’aimer Madame. Ich versichere aber E. L., daß dießer frawen haß mich gar nicht quelt; will der König mich ihrendtwegen haßen undt verachten, so ist es eine schwachheit von ihm, vangirt mich also dadurch selber, denn gegen den König habe ich nie nichts gethan, umb seinen haß zu haben, mißfählt ihm aber meine person, so ist es ein unglück, aber kein crime; muß michs also getrösten undt hoffen, daß wider einsmahls eine zeit kommen wirdt, da er mich durch andere augen ahnsehen wirdt, alß seiner alten dame ihre, denn zu der Fontange[2] zeitten, auch wie ich ein jahr in der Montespan[3] gnade stundt, da fandt mich der König nicht so unahngenehm alß nun undt hatt mich gern bey sich, will also nicht verzweyfflen undt nur immer meinen geraden weg fortgehen. … [390] Hannover muß unerhört verendert sein, seyder ich dortten geweßen, denn zu meiner zeit spilte man die commedien in dem sahl bey ma tante Lisbet cammer undt bey der capel; das theatre war nicht gar groß; nun aber muß das schloß magnifiq sein, daß E. L. beyde absonderliche sähl haben vor die commedie undt die operaen … Nun muß ich E. L. auch verzehlen, wie es zu Marly abgangen. Donnerstag gleich nach dem nachteßen setzte sich der König im salon, so vor den bal preparirt war; da kam die duchesse de Bourgogne recht artig masquirt en flore mitt lautter seydene blumen, welches ihr recht artig stunde. Sie hatt bey sich viel damens, denen es aber (die warheit zu bekennen) nicht so woll stundt alß ihr; die andere floren waren die duchesse de Suly[4], die ist waß kurtz undt dick, die contesse Dayen[5], madlle de Melun, madlle de Bournonville undt die duchesse de Villeroy[6]; made de Chartre[7], made la duchesse[8], madlle de Tourbe[9] waren mitt langen rodt sammetten röcken schir wie moscovittische damentracht, mitt silber gebrembt, undt kleine mützger mitt federn, auff ein seyte nur gesetzt; das stundt aber made la duchesse allein woll. Die princes de Conti[10] undt made de Chastillon kamen in moren-kleydungen mitt schwartz sammet, mitt golten spitzen undt lange ermel biß auff den boden; sie waren woll gekleydt. Made la duchesse de St. Simon[11], made de Lauzun, made d’Humiere[12], made de Souvré waren auff alt spanisch mitt kreyßen schwartz sammet mitt edelgestein, undt hüdtger auff eine seyt auff dem kopff. Wie alle die masquen ihren platz genohmen hatten, – ich habe madlle d’Armagnac vergeßen, die war in sultane gekleydt – horte man paucken schlagen undt sahe auff einmahl ein Sarmatte kommen, dem folgte ein camel mitt einem moren, der die paucken schlug; dem folgten die amazonen. Des Königs pagen seindt sehr adroit in foltigiren undt fechten. Wie dießer auffzug den abtritt genohmen, tantzte man menuets in großer menge. Etliche zeit hernach gingen die 3 printzen sich auch masquiren, der duc de Bourgogne kam mitt 4 gesichter in einer klocke, daß man nimer wuste, welches das rechte gesicht war; mons le duc[13], mons. de Barbessieu[14], duc de Villeroy, Roquelaure[15] undt conte Dayen[16] waren ebenso gekleydt. Der duc Danjou[17] war en medecin undt der duc de Bery[18] en astrologue. Man tantzte biß umb 2 uhr. Die princes de Conti kleydte sich in chauve soury [391] mitt den andern damen, so schon genent, undt so von ihrer bande waren, kamen mitt printz Camille[19], mons. de Briene[20] undt la Valliere[21] undt dantzten:
Wiltu mitt nach Rompelskirchen,
Wiltu mitt, so komm
etc.[22]
Andern tags alß Freytags fuhr ich umb halb 10 nach Paris, kam umb halb 12 dort ahn, ginge mitt Monsieur in die meß undt von dar fuhren wir nach St. Eustache, die klock auß der tauff zu heben. Ich hette schir überlautt gelacht, denn man hatte die klocke mitt einem blumenkrantz umbwickelt undt oben ein brocart drumb gehenckt. Ich sagte zu Monsieur: la cloche est donc deguisée aussi en flore, sie gliche der duchesse de Sully[23] wie zwey tropffen waßer. Ahm knüpffel hingen goltene strick mitt goltene quasten, die gab man unß in die handt, wir musten 3 mahl ziehen, umb die klock leütten zu machen. Unter unß: es ist eine possirliche ceremonie. Die kirch war gantz voller leütte, so dieße schöne ceremonien sehen kamen; hernach lieff all der peupel hin undt leütte, sie meinen, es preservire sie vor den donner. Ein dieb wurdt ertapt, der wolte ein degen von einen officir stehlen, das machte ein unerhört geraß in der kirch. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 24. Januar 1700 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 389–391
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0403.html
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