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Brief vom 10. Juni 1700

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


415.


[403]
St. Clou den 10. Juni 1700.
… Es ist eine betrübt historie vorgangen von einem gar excellenten goltschmidt, so Tertullien Sehu heist. Er war von der religion, hatt sich mitt weib undt kint salviren wollen; man hatt das weib zu Lisle ertapt, nach dem sohn geschoßen undt ihm ein hacken entzwey geschoßen, wirdt also sterben wie Achilles. Die fraw hatt man ins gefangnuß mitt 4 kinder geworffen; ich weiß noch nicht, ob der mann gefunden ist. Die arme leütte [404] jammern mich von hertzen; wolte Gott, die arme leütte könten den König jammern wie mich; ich wolte, daß der König wißen könte, daß die cruauté, so man gegen die armen reformirten verübt, catholische zu reformirten gemacht hatt … Wie ich von Berlin sprechen höre, so divertirt man sich dorten viel beßer, alß hir bey hoff undt zu Paris; à propo von Paris: der duc de Gramont hatt Mgr.[1] gestern eine feste geben, wo lautter mannsleütte bey waren undt keine eintzige dame. Er hatt Mgr. entpfangen wie Davit die bundeslade, denn er ist ihm dantzendt entgegenkommen mitt allen basque so zu Paris sein. Mich deücht aber, daß es etwaß wunderliches ist vor einen duc, so großvatter ist undt über 55 jahr alt. Man hatt 5 mahl 17 schüßeln bey dem festin auffgetragen undt bey jeder tracht umb die taffel herumb getantzt; das seindt neüe maniren, so vor dießem nicht bräuchlich waren. … Ich bin dem herrn Leibnitz verobligirt, daß er gern hatt, daß E. L. mich mitt den zeittungen erfrewen …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 10. Juni 1700 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 403–404
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0415.html
Änderungsstand:
Tintenfass