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Brief vom 5. September 1700

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


425.


[412]
St. Clou den 5. Sept. 1700.
Vor dießmahl muß ich bey dem endt von E. L. gnädigen schreiben ahnfangen undt E. L. demütigsten danck sagen vor das gar schöne undt magnifique pitschir, so E. L. mir haben belieben zu schicken. Ich bin nicht gelehrt genung, umb zu decidiren, ob es eygendtlich eine antique ist oder von der englischen arbeit, aber ich kan woll mitt warheit sagen, daß ich viel antiquen gesehen, so bey weittem nicht so schön sein alß dießes … Ich habe einmahl ein gestochenen stein vom Virgillius gesehen, so dießem viel gleicht; ich habe es aber alleweill wider betracht: es ist eine Socrattine; das macht mich glauben, daß es Alcibiade ist. Je mehr ich es betracht, je mehr bin ich persuadirt, daß es eine antique, denn itziger zeit arbeyt man nicht mehr so. Die gutte fraw von Harling wirdt nicht aprobiren, daß E. L. so ein magnifiq present geschickt, wirdt bey sich selbsten gedencken, ich mache es wie man im sprichwort sagt, undt werffe eine bradtwurst nach ein seyten speck[1], [413] denn alles was ich E. L. geschickt ist bey weittem nicht so schön noch so thewer. Es wirdt bey allen gelehrten undt curieusen admirirt undt E. L. geben mir hirmitt mehr alß eine freüde. … Zu Metz[2] hette ich auch sagen können wie mad. de Cantecroi[3]: que de sacremens à la fois, denn in einem tag machte man mich beichten, comuniciren, heürahten undt die confirmation entpfangen, welches sie hir all vor sacrementen halten … Mich deücht, daß der König in Poln die sach woll hette können bleiben laßen, krieg gegen Schweden ahnzufangen. Were ich ahn des Churfürsten von Brandenburgs platz, würde ich gar content sein, ein mächtiger undt reicher Churfürst zu bleiben; der nahme von König wirdt ihn nicht glücklicher machen, sondern nur viel ambaras geben[4].
Die succession von Engellandt soll bey denen nicht gelten, so catholische sein, derowegen werden E. L. hernach die naheste dazu[5]. Weillen princes Anne so viel seüfft, möchte sie woll nicht lang mehr leben. Ich bin woll I. L. des Churfürsten von Braunsweig meinung, daß es beßer undt ruhiger ist, Churfürst von Braunsweig zu sein, alß König in Engellandt[6], denn es ist woll wahr, daß die Engellander dolle leütte sein undt sehr unbändig. Ich bin nicht persuadirt, daß alles ein hazard in der welt ist, sondern viel mehr ein verhengnuß; wenn das Königreich von Engellandt E. L. glücklich machen könte, alß sie sein, wünsche ichs E. L. lieber, alß niemandes in der welt, denn sie gehen mir allezeit über alles; aber nach E. L. wünsche ichs niemandes, alß dem printz de Galle …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 5. September 1700 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 412–413
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0425.html
Änderungsstand:
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