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Brief vom 16. September 1700

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


427.


[415]
Au port Royal den 16. Sept. 1700.
… Ich bin sehr erfrewet, daß E. L. mitt nach Achen reißen[1]. Ich hoffe undt wünsche von hertzen, daß E. L. eine gesunde undt lustige reiße thun mögen. Mein gott, wie unglücklich ist mein standt, nie thun zu dörffen was ich will; were ich mein eygen herr, würde ich E. L. gar gewiß dortten auffwarten gehen, allein es ist ein ellende sache hir mitt dem zwang, worin man leben muß. Wie glücklich ist mein patgen, alles thun zu können, was I. L. wollen. Ich weiß dem graff Colb oder Warttenberg recht danck, sich I. L. der Churfürstin soumetirt zu haben[2], denn es war recht ridicule, daß er mitt I. L. protzte. Es muß dießes graffen destein sein, allezeit favorit bey seine herrn zu werden, denn bey dem gutten hertzog von Simern[3] war er es auch, ob er zwar der hertzogin galant war. Der hertzog klagte mir die sach; ich sagte zu ihm: Wenn E. L. den Colb so lieb haben, daß sie ihn nicht mißen können, so müßen sie durch die finger sehen undt sich nichts ahnnehmen, denn über ihn zu klagen undt ihn bey sich zu behalten undt nicht ohne ihn leben zu können, gibt E. L. ein ridicule, womitt sie jederman außlachen wirdt. Ich bilde mir Colbs fraw ein wie made de Heemskerke[4], die verzehlt auch immer, der mundt geht ihr nicht zu. Colb muß auffs wenigst ein jahr 63 alt sein; ich habe ihn heßlich gefunden, wie er noch gantz jung war; er hatt groß außstehende augen wie ein frosch, auch keine schöne taille; wie er jung war, wolte er keine peruque tragen, umb seine gelbe blunde haar zu weißen, hatte aber keine haar auff den schläffen undt war oben kahl. Sein elster bruder war viel beßer geschaffen, ist aber jung gestorben. Damahls contentirten sie sich noch, gar gutte edelleütte zu sein, undt dachten nicht graffen zu werden; die schönen demanten machen gewiß die gantze graffschafft … Man sagt, daß der König in Spanien[5] sehr übel ist; die stärcke muß dem König in Spanien seyder unßer Königin[6] todt kommen sein, weillen die jetzige Königin[7] sich zweymahl schwanger befunden, [416] denn die Cantin, unßer Königin amme, hatt mir gesagt met verlöff met verlöff, daß der König zwar nicht inpuissant seye undt gar groß geschaffen, allein er hette gantz keine stärcke, fange die sach woll ahn, könne sie aber nicht vollführen, denn die schwachheit komme gleich. Die docktoren haben den duc de Glocester[8] umbs leben bracht, sie brauchten ihm vor das fleckfieber undt er hatte zwey geschwer im halß, so ihn erstickt haben, sonst war er gesundt. Es ist gewiß, daß man unßern printz von Wallis[9] nicht sehen kan ohne ihn lieb zu haben, denn er ist gar ein ahngenehm kindt, ist zwar delicat, aber nicht kräncklich. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 16. September 1700 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 415–416
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0427.html
Änderungsstand:
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