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Brief vom 13. November 1700

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


433.


[419]
Fontainebleau den 13. November 1700.
… Gestern sagte immer eins dem andern ins ohr: n’en parlés pas, mais le roy a accepté la couronne d’Espagne pour mons. le duc d’Anjou; ich schwig stille, aber wie ich den duc d’Anjou auff der jagt in [420] einem engen weg hinter mir hörte, hilte ich still undt sagte: passés, grand Roy, que V. M. passe. Ich wolte, daß E. L. gesehen hetten, wie verwundert das gutte kindt war, daß ich es wüste; sein brüdergen, der duc de Bery, wolte sich kranck drüber lachen. Er, der duc d’Anjou, sicht recht einem König in Spanien gleich, lacht selten undt ist allezeit in der gravitet; man sagt, daß der König ihm vorgestern heimblich hette sagen laßen, daß er König were, er solte sichs aber nicht mercken laßen. Er spilte eben in seiner cammer à l’ombre, er konte aber nicht halten, sagte zwar kein wort, sprung aber in die höhe, setzte sich aber gleich wider mitt der ersten gravitet, alß wenn er nichts wüste. Dießer junge König hatt zwar nicht so viel vivacitet, alß sein jüngst brüdergen, auch nicht so viel verstandt, er hatt aber sonsten über die maßen gutte qualiteten, ein guttes gemühte, genereux (welches wenig von seinem hauß sein), warhafft, denn vor alles in der welt wirdt er keine lügen sagen, man kan kein größer abscheüen vor lügen haben, alß er hatt; er wirdt auch von parolle sein, er ist barmhertzig, er hatt courage, suma es ist ein rechter tugendthaffter herr, der gar nichts böß ahn sich hatt; were er ein gemeiner edelman, würde man sagen können, daß er ein rechter ehrlicher mensch ist, undt ich glaube, daß die umb ihn sein werden, glücklich sein werden. Ich glaube, er wirdt so starck werden alß der König in Polen[1], denn schon vor ein jahr konte ihm der stärckste mann hir die faust nicht biegen; er sicht recht österreichisch auß, hatt immer den mundt offen; ich sags ihm hundertmahl; wenn mans ihm sagt, thut er den mundt zu, denn er ist gar docile, sobaldt er sich aber wider vergist, helt er den mundt wider offen; er redt gar wenig, außer mitt mir, denn ich laß ihm kein ruhe, plag ihn immer; er hatt eine grobe stimme undt spricht sehr langsam; ich mache ihn auch etlichmahl lachen. Ich habe ihn lieber alß den duc de Bourgogne, denn er ist gutt undt nicht so mesprisant, wie der duc de Bourgogne, sicht auch beßer auß. Aber wen ich von hertzen lieb habe, alß wenn er mein kindt were, das ist der duc de Bery, das ist ein artig kindt, immer lustig undt blaudert ins gelag hinein recht poßirlich … Es ist aber auch einmahl genung von unßern printzen gesprochen; ich komme wider auff E. L. gnädiges schreiben. Zu unßerer Königin zeitten ging ich zimblich offt in die spanische commedie; ob ich zwar kein wordt spanisch verstehe, so waren doch etliche, so ich woll sahe, daß sie woll spilten undt ihre täntze divertirten mich auch mitt ihren harpffen undt castagnetten, wenn man aber hinter den schirm ging, wo die commedianten waren, stunken sie alle so abscheülich nach knoblauch, daß man nicht bey ihnen dauern konte. E. L. werden ohne zweyffel zu Uterecht ins portgen logirt haben, deßen ich mich noch gar woll erinere. Ich bin fro, daß E. L. den lieben Churprintz doch überall wider finden; es [421] ist mir angst vor E. L. auff die scheydung von solcher gutten geselschafft. … Ich habe heütte ein klein zettelgen von mein dochter entpfangen, die bericht mich, daß die römische Königin[2] gottlob einen printzen zur welt gebracht hatt. Ich hoffe, er wirdt meiner dochter[3] ihr dochterman werden; ich wünsche E. L. glück zu dießem petit neveu …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 13. November 1700 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 419–421
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0433.html
Änderungsstand:
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