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Brief vom 18. November 1700

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


434.


[421]
Paris den 18. November 1700.
Alß ich vergangen Montag E. L. gnädiges schreiben von Clef auffbrach, dachte ich, E. L. hetten eine schlime feder dort gefunden, bin aber woll unerhört erschrocken, alß ich gesehen, daß E. L. einen so abscheülichen fall gethan haben[1], so daß mir die threnen gleich in den augen kommen sindt, undt kan woll mitt warheit sagen, daß E. L. zustandt mich offt in der nacht erweckt undt werde keine rechte ruhe haben, biß ich mein hertzlieb ma tante ohne schmertzen weiß. … Umb E. L. zu amusiren, will ich E. L. verzehlen, wie man hir den König in Spanien gemacht hatt. Dinstag morgendts ließ der König den gutten duc d’Anjou hollen in sein cabinet undt sagte ihm: vous estes Roy d’Espagne, ließ gleich den spanischen ambassadeur mitt allen Spaniern, so hir im landt sein, herein kommen, die fiellen ihrem König zu füßen undt küsten ihm die handt alle nach einander undt stelten sich hinter ihren König. Hernach führte unßer König den jungen König in Spanien im salon, wo der gantze hoff war, undt sagte: messieurs, voicy le Roy d’Espagne, salués le; da wurde gleich ein freüdengeschrey undt jederman trat herzu undt küste dem jungen König die handt. Hernach sagte unßer König: allons rendre grace à Dieu, que V. M. vienne à la messe, gab dem jungen König gleich die rechte handt undt gingen mitt einander in die meß, undt der König machte ihn neben sich ahn die rechte seitt auff sein pries Dieu[2] knien. Nach der meß begleitte ihn unßer König in sein apartement, welches das große ist: hernach kamen seine herrn brüder undt besuchten ihn; mein duc de Bery war so fro, daß er seinem bruder, dem König in Spanien, vor freüden die handt küste. Nachmittags fuhr der junge König nach Meudon, seinen herrn vatter[3] zu besuchen, so dort ist; der ging ihm biß in die antichambre entgegen; er war eben im garten geweßen undt vermuthe nicht, daß sein sohn, der König in Spanien, so baldt kommen würde, [422] war also außer athem, wie er ahnkam, sagte: je vois bien qu’il ne faut jurer de rien, car j’orois bien juré de ne m’essouffler jamais en allant au devant de mon fils, le duc d’Anjou, cependant me voila hors d’allaine[4]. Der gutte junge König war gantz descontenancirt, sich alß ein frembter König von seinem herr vatter tractirt zu sehen; welcher ihm im wegfahren das geleidt biß ahn seine kutzsche gab. Gestern morgen hatt Monsgr. seinem herrn sohn, dem König, die visitte wider geben …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 18. November 1700 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 421–422
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0434.html
Änderungsstand:
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