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Brief vom 12. Juni 1701

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


454.


[001]
Versaille den 12. Juni 1701.
Nun ich von meinem ersten schrecken ein wenig ersetzet bin, kan ich nirgendts beßer trost in meinem unglück suchen, alß bey E. L., welche sein was mir in der welt ahm liebsten ist. Ich will also mein hertzlieb ma tante alles verzehlen. Vergangen Mittwoch morgendts war Monsieur s[eelig] noch gantz frisch undt gesundt, fuhr nach Marly, aß dort perfect woll zu mittag mitt dem König. Nach dem eßen fuhren I. L. nach St. Germain, kamen abendts umb 6 wider gantz lustig, verzehlte unß, wie viel tabourets er bey der Königin in Engellandt gesehen. Gegen 9 solte ich zu nacht eßen, konte aber nicht eßen, denn ich hatte noch 4 stundt das fieber gehabt; Monsieur s[eelig] sagte zu mir. je m’en vay souper et ne feres[1] pas comme vous, car j’ay grand apetit, geht damitt ahn taffel. Eine halbe stundt hernach höre ich ein geraß, sehe mad. de Vantadour[2] bleich wie der todt in meine camer kommen, die sagt: Monsieur se trouve mal. Ich lauff gleich in I. L. kammer; sie kanten zwar woll, konten aber nicht reden, daß man es verstehen konte; so viel konte ich nur hören: vous estes malade, allés ches vous en. Man hatt I. L. dreymahl zur ader gelaßen, 11 oncen emetique geben, waßer von Chaffhausen, gouttes d’Angleterre 2 bouteillen voll, aber nichts hatt geholffen; gegen 6 morgendts hatt es sich gantz zum endt getrehet. Da hatt man mich auß der cammer mitt gewaldt geschlept, war wie ohnmächtig; man legte mich zu bett, ich konte aber nicht im bett bleiben, stundt auff undt wie ich in freüdt undt leydt allezeit ahn E. L. gedencke, so war auch mein erste gedancken, ahn E. L. zu schreiben; ich weiß aber nicht, was ich E. L. gesagt habe. Nachdem ich E. L. brieff weg geschickt, kam der König zu mir, war auch sehr touchirt, thate doch seinen möglichen fleiß, mir trost einzusprechen, erwieße mir viel gnade. Mad. de Maintenon war auch sehr touchirt undt sprach mir zu. Der König fuhr weg. Umb 12 verschiedt Monsieur; ich setzte mich gleich in kutzsch undt fuhr her. Der König schickte mir mons. le premier, umb zu fragen, wie ich mich befinde. Der schrecken hatt mir das fieber vertrieben. Mad. de Maintenon ließ mir durch meinen sohn sagen, daß es jetzt die rechte zeit were, mich mitt dem König zu versöhnen. Hirauff habe ich meine reflectionen gemacht undt [002] mich erinert, wie offt E. L. mir gerahten, zu suchen, mich mitt dießer damen selbsten zu versöhnen; derowegen habe ich den duc de Noaille[3] gebetten, dießer damen von meinetwegen zu sagen, daß ich so touchirt were von aller freündtschafft, so sie mir in meinem unglück bezeugt, daß ich sie bätte, doch die mühe zu nehmen, zu mir zu kommen, denn ich dörffte nicht außgehen. Dießes hatt sie gestern umb 6 gethan. Ich habe ihr gleich widerholt, wie content ich von ihr were undt begehre ihre freündtschafft, habe ihr auch gestanden, daß ich übel zufrieden mitt ihr geweßen, weillen ich gemeint, daß sie mir des Königs gnaden entzogen undt mich gehast hette, daß ich es auch von mad. la dauphine erfahren, wolle aber gerne alles vergeßen, wenn sie nur meine freündin sein wolte. Hirauff hatt sie mir viel schönne undt eloquente sachen gesagt undt ihre freündtschafft versprochen, undt wir haben unß ambrassirt. Hernach habe ich ihr gesagt, es were nicht genung, daß sie mir entbotten, daß der König mir ungnädig were, sie müste mir auch sagen, wie ich wider in gnaden kommen könte. Darauff hatt sie mir geraten, gantz offenhertzig mitt dem König zu sprechen, selber gestehen, daß ich sie gehast hette, weillen ich gemeindt, daß sie mir böß office bey dem König thete, auch warumb ich böß über den König geweßen. Dießen raht habe [ich] gefolgt, undt wie mir Monsieur gesagt hatte, daß der König auch böß were, daß ich E. L. zu offenhertzig schreibe, so habe ich auch diß article tractirt undt gesagt, daß diß I. M. nicht müste wunder nehmen, daß E. L. die person von der welt weren, ahn welcher ich ahm meisten attachirt were auß reconnoissance undt auß inclination, daß ich E. L. mein hertz zu allen zeiten öffnete undt daß, so lang I. M. mir Dero gnaden erzeigt, hette ichs E. L. gerümbt, da I. M. mich übel tractirt, hette ich E. L. geklagt, undt könte nie anderst vor E. L. sein. Der König sagte, er wüste nichts von meinen brieffen, hette keinen gesehen, es were nur eine einbildung von Monsieur geweßen; er finde nicht übel, daß ich E. L. alß eine mutter ehrte undt liebte; aber E. L. hasten ihn. Ich sagte, E. L. admirirten alle zeit seine große qualiteten, allein wenn es I. M. beliebte, würden sie auch von E. L. geliebet werden. Nachdem ich I. M. alles außgelegt undt clar gewießen, daß, so übel sie mich auch tractirt, ich sie doch jederzeit respectiret undt geliebet hette, ja alle zeit große freüde gehabt, wenn sie mich nur bey sich leyden wollen, da hatt mich der König ambrassirt, gebetten, das vergangene zu vergeßen, undt hatt mir seine gnade versprochen, lachte auch, wie ich gantz natürlich zu ihm sagte: si je ne vous avois pas aimé, je n’aurois pas tant haï mad de Maintenon, croyant qu’elle m’ostoit vos bonnes graces. Endtlich hatt sich alles gar gnädig geendet. Ich habe zu I. M. gesagt, daß wie diß der eintzige trost in meinem unglück were, so könte ich nicht laßen, E. L. solches [003] heütte zu berichten, welches I. M. aprobirt haben. Heütte werde ich noch ein betrübten tag haben, denn umb 3 wirdt der König wider herein kommen, umb Monsieur s[eelig] testament zu öffenen, welches mich greülich jammern undt schmertzen wirdt. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 12. Juni 1701 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 1–3
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0454.html
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