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Brief vom 7. Juli 1701

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


458.


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Versaille den 7. Julli 1701.
… Daß Monsieur meiner nicht in seinem testament gedacht, ist kein wunder, es kan nicht sein; in dießem landt kan der mann der frawen nichts [005] vermachen, noch die fraw dem mann; was er ihr aber bey leben gibt, ist ihr eygen, aber Monsieur hatts lieber ahn die geben wollen, die ihn divertirt haben, denn man findt, daß drey junge bursch allein des jahrs jeder hunderttaußendt thaller eingezogen haben. Ins Königs gnade hette mich Monsieur woll nicht recommandirt, denn sie wünschten nicht, daß ich drinnen sein mögte. E. L. können woll gedencken, daß ich meinen möglichsten fleiß thun werde, mich ins Königs gnaden undt mad. de Maintenon freündtschafft zu erhalten, allein wer kan versichern, daß dießes bestandt haben mag, denn E. L. können woll dencken, daß mein sohn undt ich je mehr werden beneydt werden, je mehr der König unß gnade thut, undt daß man ahn großen höffen, wie dießes ist, die kunst zu brouilliren nur gar zu woll weiß. Dießes alles woll überwogen macht gar keine gutte hoffnung vor mein zukünfftiges leben… Ich gestehe woll, daß mich Monsieur offt geplagt undt chagrinirt hatt, aber das war nur auß schwachheit undt zu sehr sich denen zu ergeben, so zu seine späß undt freüden halffen. Der König hatt mir selber gestanden, daß I. L. s[eelig] mir in den letzten zeitten nicht mehr so viel böße officien geleist haben, alß vor ein par jahren, contrarie, daß sie content von mir schienen zu sein, undt das hatt mich desto mehr gejammert, auch daß, ob er zwar kaum reden kont in seinem fal, wie ich ihn fragte: comment vous sentes vous asteur[1], Monsieur? sagte er: un peu mieux, aber mitt gröster mühe sagte [er] darnach: et vous? Ich sagte: ne songés pas à moy, songés à vous et je me porteres[2] bien; er sagte: vous avés là, wieße mir den puls, umb la fievre zu sagen, das er nicht prononciren konte; sagte darnach all zimblich deütlich: allés vous en; undt wenn man ihm waß geben wolt, so er nicht nehmen wolt, sagte man: Madame le veust, so nahm ers gleich. Das hatt mir doch sein vertrawen gewießen, mich also unerhört gejammert, undt das kompt mir alß wider vor augen, denn, wie ich E. L. offt geschrieben undt gesagt, so habe ich doch den armen herrn nie gehast, sondern lieb gehabt, so ungerecht I. L. offt vor mich geweßen sein…
Das 3tagige fieber hatt mich verlaßen; ich glaube, ich habe mich mitt kirscheneßen courirt, denn man hatte mir die kirschen verbotten, man brachte mir aber von St. Clou ein korb voll schöner kirschen, die habe ich heimblich gefreßen undt seyderdem das fieber nicht wider bekommen. Ich bin allezeit froh, wenn ich weiß, daß patte[3] bey E. L. ist, denn da haben sie eine geselschafft ahn. Ich finde die glücklich, so in comedien gehen, das ist mir nun vor zwey jahr verbotten. Es ist dem mylord Raby[4] woll gelungen, sein cour bey dem graffen von Warttenberg gemacht zu haben, weill er so einen schönnen ring davon getragen. Der König in Preussen führt ein wunderlich leben; es ist unerhört, daß man umb 2 nach mitternacht auffstehet; [006] wenns die mönchen thun, haben sie doch ihre schlaffstunden wider, seine leütte werden das nicht außstehen können, denn sie müßen ja erst ein stundt nach dem König schlaffen gehen undt woll ein stundt vor I. M. auffstehen, also nur 3 stundt zu schlaffen haben. Dabey kan man nicht leben, sein gantzer hoff wirdt närisch werden, wo das lang wehrt. Des Königs brieff ahn E. L. sein eben so kurtz alß sein schlaff. … Ein Königreich zu haben, ist es der mühe woll wehrt, daß man lesen undt schreiben lernt? Ich wolte, daß sie[5] E. L. auch eine königliche pension mitt brächten, das were woll billig, weill sie E. L. gewehlt haben undt das were kein rauch wie l’ordre de la jartiere[6]
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 7. Juli 1701 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 4–6
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0458.html
Änderungsstand:
Tintenfass