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Brief vom 15. September 1701

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


468.


[015]
Marly den 15. September 1701.
… Der arme König von Engellandt ist noch nicht todt, aber man meint nicht, daß I. M. dießen tag überleben werden. Vor drey tagen rieff er überlautt. Je veux bien que tout le monde sache que je pardonne de tout mon coeur au prince d’Orange et à ma fille tout ce qu’ils ont fait contre moy[1]. Dießer König stirbt wie ein rechter heylliger. Unßer König hatt dem gutten König Jacob noch einen trost vor seinem endt geben, indem er I. M. versichert, daß er nach seinem todt den printz de Galle alß König declariren wirdt[2]. Alles ist gantz trawerig hir; man hört von nichts alß agonie, sterben undt unglück; das deucht gar nicht vor mein miltz. Ich kans I. L. dem Churfürsten von Braunsweig nicht verdencken, die ceremonien zu haßen, denn es ist ja gar eine widerliche sache, drumb glaube ich, daß I. L. froh werden sein, dießer sachen ein endt zu sehen. Ich meine, patte solte die ceremonie verrichten, sehe aber auß waß E. L. mir hir gnädigst sagen, daß es der ambassadeur gethan. Wie kams, daß die englische cavallier nicht mitt den damen aßen? Daß die Engländer I. L. dem Churfürst alle die reverentz gemacht haben, wie er in dem ordens habit war, gemahnt mich ahn opera vom Atis[3]: wenn Atis alß grand prestre de [016] Cibelle gekleydt ist, machen ihm auch alle die, so auff dem theatre sein, reverentzen; undt hetten sie auch woll dazu singen können wie dortten:
Que devant vous tout s’abaisse et tout tremble,
Vivés heureux; vos jours sont nostre espoir,
Rien n’est si beau que de voir ensemble
Un grand meritte avec un grand pouvoir
Que l’on benisse, le ciel propisse,
Qui dans vos mains met le sort des humains
.
Ich kan nicht begreiffen, wie sich hertzog Ernst August[4] so geendert, denn hir waren I. L. gar nicht serieux, sondern schienen recht lustig zu sein, rasten braff mitt meine kinder herumb. Daß er noch ein jungfer soll sein, kan ich schwerlich glauben, denn man sicht wenig mannsleütte in der welt, so nicht entweder weiber oder männer lieben. Milord Portlandt[5] schreibt mir, der Churprintz[6], E. L. enckel, würde mitt seinem König nach Engellandt gehen. E. L. haben woll groß recht, daß des menschen unglück oder glück viel in seiner eygenen einbildung bestehet, aber man kan nicht allemahl die sachen so baldt faßen, alß es woll raisonabel were. Gott der allmächtige hatt E. L. gar einen großen verstandt undt hurtigen geist geben; drumb können sie sich so baldt in alles schicken, welches andere nicht können. Man kan E. L. nicht accusiren, vaniteten zu haben, zu sehen, wie sie die wahl von ihrem Königreich ahnnehmen, es ist woll ahn E. L. zu admiriren, undt hirinen ist mehr grandeur, alß wenn E. L. selber in Engellandt jetzt regirten. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 15. September 1701 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 15–16
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0468.html
Änderungsstand:
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