Seitenbanner

Brief vom 29. Dezember 1701

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


483.


[026]
Versaille den 29. December 1701.
… Ich bin gewiß, daß E. L. nicht so viel ronsellen[1] haben, alß ich; mir kompts, daß ich so offt undt manche jahre bin auff der jagt von der sonnen verbrent worden; aber ich frage gantz undt gar nichts darnach, bin nie schön geweßen, habe also nicht viel verlohren, undt ich sehe, daß die, so ich vor dießem so schön gesehen habe, jetzt eben so heßlich sein, alß ich: mad. de la Valliere[2] kan kein seelenmensch mehr kenen, mad. de Montespan[3] hatt ihre gantze hautt alß wenn die kinder künsten mitt papir machen undt es klein zusammen legen, denn ihr gantz gesicht ist gantz voller kleinen runtzellen ahn einander, daß es zu verwundern ist; ihre schöne haar seindt schneeweiß undt das gantze gesicht ist roht, also gar nicht schön mehr, ich bin also gantz getröst, nie gehabt zu haben, was doch so geschwindt vergeht. E. L. haben schönheitten, so nie vergehen, nehmblich Dero großer verstandt undt vivacitet, Dero generositet undt gütte, Dero beständigkeit vor diejenigen, so sie einmahl gnädig geweßen; auch macht dießes, daß man sich dermaßen ahn E. L. attachirt, daß man E. L. biß ahn sein endt gantz leibeygen ergeben bleibt. Mich deücht, es ist viel lustiger, in die luterische, alß in die frantzösch reformirte kirch zu gehen, denn die lutherische lieder seindt ahngenehmer zu singen, alß Marot[4] seine psalmen in alt frantzösch, welches in meinem sinn jetzt ridiculle ist zu hören. …
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 29. Dezember 1701 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 26
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0483.html
Änderungsstand:
Tintenfass