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Brief vom 19. Januar 1702

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


487.


[029]
Versaille den 19. Januari 1702.
… Ich glaube, I. M. die Königin in Preussen wolten lieber mitt E. L. in der redoutte, alß bey ihrem Königlichen fest sein, undt hirin haben [030] I. M. gar groß recht. Ob E. L. Dero herrn schwigersohn zwar lieben, so seindt sie doch nicht verblendt ahn I. M., wie sie an der cron sein. Were ich ahn I. M. platz, hette ich lieber ein großer undt mächtiger Churfürst bleiben wollen, alß ein mittelmäßiger König sein; aber ein jeder hatt seine opinion undt könte man hirauff auch woll das sprichwort cittiren, so E. L. etlichmahl belieben zu sagen: Einem jeden seine weiß gefelt undt seinen [dreck] vor weirauch helt[1]. Die Musen haben gar nicht von nöhten, E. L. zu inspiriren; E. L. eygene einfalle gehen mir über alle poeterey, undt wenn Apollon E. L. selber inspiriren solte, würde mir doch beßer gefallen, was natürlich von E. L. gedancken kompt, denn nach Apollon undt den Musen frag ich gar nichts, E. L. aber ehre, respectire undt liebe ich über alles. … Was E. L. auff mad. de Montespan undt mad. de la Valliere enderung sagen, ist recht artig; mad. de Maintenon endert nicht, sie ist noch gantz wie sie vor 30 jahren war; sie ist noch immer gar höfflich mitt mir, undt der König auch, undt dabey bleibts. Mitt dem König geht es nicht nach dem sprichwort, daß familliarité mespris engendrirt, denn mitt denen I. M. ahm familliersten sein, die haben sie ahm liebsten. Ich versichere E. L., daß meine schreiben ahn dießelbe nicht ursach sein, daß man mich nicht ins particullir führt, nein, die rechte ursach ist, daß man mich zu natürlich findt undt fürcht, daß mir warheitten entfahren mögten, so dem König die augen zu sehr öffnen mögten; das ist der rechte handel, E. L. thun gar nichts dazu… In dem zweiffel, so die Kielmanseck[2] sein kan, ob E. L. herr sohn, der Churfürst, nicht ihr bruder ist, kompt es mir abscheülich vor, daß sie pretentionen hatt, ihrer mutter historie zu verneüen. Es seindt wenig männer, so einer frawen ein solch leben gutt heißen würden, so reich sie auch davon werden mögten. Mich deücht, hertzog Max jesuwitter[3] solte seinen herrn seine religion selber verandtworten laßen, er aber rechenschafft geben, womitt er seinen herrn so in schulden gesteckt hatt[4]. Mich deücht, ein schluß were nicht schwer zu ziehen über hertzogs Max vorschlag: man mag ja nur [031] seine soumission ahnnehmen, I. L. schulden zahlen, weillen es ja dem Churfürsten von Braunsweig L. undt seinem gantzen hauß eine schandt ist, daß dießer hertzog in schulden stecken bleibt, ihm seinen pfaffen fortschicken undt einen ehrlichen mann geben, so hinfüro sein gelt unter händen haben möge undt beßer gouverniren. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 19. Januar 1702 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 29–31
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0487.html
Änderungsstand:
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