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Versaille den 12. Mertz 1702.
Vor einer stundt bin ich mitt E. L. gnädiges schreiben vom 3. dießes
monts erfrewet worden, undt ob es zwar billig were, sich zu erfrewen, daß
die gutte fraw von Harling ihrer qual abkommen ist, so seindt mir doch die
threnen drüber in den augen gekommen, denn ich hatte die gutte fraw recht
lieb
[1]. Es ist mir leydt, daß die Königin in Preussen so baldt wider weg
geht, wolte gern, daß sie lenger blieben, umb E. L. die trawerige gedancken
auß dem kopff zu bringen, so der todt der gutten fraw von Harling s[eelig]
zuwegen bringen kan. So viel ich vergangene post von Amelisse
[2]
vernohmen, so fürchten sie
[3], von E. L. hoff gehast zu werden undt jalousien
zu verursachen; ich kan ihnen aber woll das zeugnuß geben, daß sie recht
erkandtlich undt reconnoissant von E. L. gnaden sein undt E. L. von gantzem
hertzen dinen mögten. Ob ich die gutte leütte zwar seyder ihrer kindtheit
nicht gesehen, habe ich sie doch lieb, weillen sie papa s[eelig] kinder sein,
welchem ich so hoch versprochen, sie allezeit lieb zu haben, bin also fro, daß
sie es wehrt sein. Ich wolte aber gern, daß Carl Moritz nicht so viel söffe;
ich glaube, daß das sauffen, so ihm mad. Gregu
[4] in seiner kindtheit gelernt,
schuldig ist, daß er so klein geblieben alß wie die hündtger, welchen man in
ihrer jugendt brandewein eingibt, umb sie klein zu behalten. So leünisch
alß ich auch heütte bin, habe ich doch lachen müßen über die vergleichung,
so E. L. Carl Moritz geben von dem tropffen vom citronen biscuit. Er
undt ich seindt die kleinsten von allen den kindern von I. G. dem
Churfürsten s[eelig]. Wir müßen sagen wie Jodelet: si nous estions artisans de
nous mesme, on ne veroit partout que des beautés extremes
[5]…